Hallo,
nun traue ich mich mal, auch mitzumischen.... ich, die Quoten-Nichtauswanderin
Ich möchte gerne der "armen"
und doch ein bißchen arg "gescholtenen"
Anma beipflichten - sie verarscht Euch nicht!!
Vorweg:
Über eine Schüssel Salat mache ich mich auch mit Begeisterung her und habe noch vor 14 Tagen beim Urlaub in Kanada und Alaska still-staunend vor den in Regalmetern aufgereihten Chipstüten gestanden - mein Mann konnte es sich in Alaska gar gerade überhaupt nicht verkneifen, einen - na, ich würde sagen: 6 kg-Sack Salzbrezeln, der im Regal lag, zu fotografieren.
Aber zu Anma.......... dat schtümmt!!!
Wann Wasser kocht, lernt man zweifelsohne in der Schule, keine Frage. Aber ob selbst Abiturienten die "intellektuelle Kurve" kriegen, diesen *Versuch* aus dem Physikunterricht in die Lebensrealität ihrer Küche zu transportieren...... daran habe ich so meine gelinden Zweifel.
.... wenn
Lehrer nicht wissen, daß die Weser in die Nordsee mündet (zu bewundern gewesen in einer der vielfältigen Rateshows) oder Studenten grübeln, wo die westindischen Inseln liegen.........
.... oder eine Freundin von mir, in der DDR groß geworden, tatwahrhaftig
nicht schwimmen kann (und man sich fragt: Wie um alles in der Welt kriegt man das hin, nicht schwimmen gelernt zu haben??)....
dann ist es wirklich nicht weit zum lauter-linke-Hände-in-der-Küche haben.
Das Nichtschwimmer-Mädel ernährt sich übrigens, wenn sie nicht in die Kantine geht, konsequent von Butterbroten. Sie kriegt einfach nix anderes auf die Reihe.
Meine Schwester, Kategorie: Im Elfenbeinturm sitzende Nebenfachs-Lehrerin bekommt vielleicht mit gut Glück ein paar am Ende eßbare Fischstäbchen in die Pfanne.
Die hat ihre Gören mit geknackten Nüssen ins eine Pfötchen und Apfelschnitzen ins andere groß gekriegt - natürlich schwer gesund und ein "Handhabungs-Glücksfall", aber vom Kochen.......... hat sie nicht den Schimmer einer Ahnung.
Das waren jetzt nur kleine Schnipsel. Ich habe es aber auch vielfach selbst erlebt, daß wohlgebildete und vermeintlich zurechnungsfähige Menschen nicht wußten, wie sie es anstellen sollen, eine Zwiebel zu schälen. Oder wie - ums Verrecken - man einen Gurkensalat zustande bringt.
Anmas Beispiel mit:
Pffft, zuwenig Nudeln, werf ich nach 5 Minuten einfach noch ein paar hinterher habe ich als absolut lebensnah empfunden. Kalt aufgesetzte Nudeln würden mich auch nicht überraschen!
Natürlich hat Emma recht, wenn sie - sinngemäß - sagt: Hey, die sollen die Straße fegen, aber sich nicht Akademiker nennen.
Sie lesen die Nudel-Kochanleitung nicht!!
Denn:
Sie meinen, es nicht nötig zu haben, sie baden in einem ewigen Schaumbad aus Selbstüberschätzung und dem festen Glauben, Gottes Geschenk an die Menschheit zu sein und es damit folglich überhaupt nicht nötig zu haben, so etwas "Profanes" zu tun wie eine Nudel-Kochanleitung zu lesen. Der Herr hat es ihnen doch in die Wiege gelegt!!
Es gibt hier in D ein erste-Klasse-1-a-Sahne-Buch:
Generation Doof
Dort werden so hübsche Alltagsituationen dargestellt wie die vom Studenten im Alternativ-Viertel, der den Flaschenpfand-Automaten dadurch blockiert, daß er jede einzelne Buddel in den Schlund der Maschine stopft und sich den Bon ausdrucken läßt......
.... als eine dahinterstehende Dame ihm auf die Schulter tippt und erklärt, das könne man durchaus auch dergestalt lösen, daß man alle Flaschen reinschiebt und sich
am Ende einen Bon ausdrucken läßt, wurde er pampig und erklärte der Dame, sie solle sich mal schön um ihren eigenen Scheiß kümmern..........
Und so ziemlich jedes dort beschriebene Beispiel wird von den Autoren, die sich selbst zu dieser Generation doof zählen, immer wieder gerne mit dem Hang zur Selbstüberschätzung als Hintergrund "verziert".
Nachvollziehbar, wenn man sich alles mal auf der Zunge zergehen läßt.
Das Nachfolgebuch gibt übrigens u. a. den Tipp:
Nicht!!! Als Praktikant fordern, den Geschäftsbericht des letzten Jahres verfassen zu wollen!!!!
Und sie meinen es ernst, denn sie wissen, wovon sie schreiben.......
na - wer hat denn da noch wirklich Fragen dazu, ob der von vielen bodenständig groß gewordenen Menschen absolut auf Unverständnis stoßende Umstand, daß es ganz, ganz,
ganz viele Leute gibt, die schlicht keine Ahnung davon haben, wie man es vielleicht anstellen könnte, sich ein Frühstücksei zu kochen, auch so ist??
Es ist so. Und Anma juxt hier nicht rum!
Renate Schmidt, die frühere Familienministerin aus Bayern, hat vor ein paar Jahren in einem Spiegel-Interview einen Satz gesagt, der bei mir als Erklärung für viele gesellschaftliche Verwerfungen haften geblieben ist:
"Das Kulturgut Kochen ist verloren gegangen".
.... wenn man diesen Gedanken konsequent weiterdenkt, kommt man bei all dem an, was hier schon geschrieben worden ist:
Noch nicht einmal ein Eßtisch ist da, nix mit gemeinsamen Essen der Familie (und sei es am Wochenende, wenn während der Woche alle einen unterschiedlichen "Takt" haben).....
.... nix mit gemeinsamen Gesprächen am Eßtisch, die - auch - soziales Verhalten lehren....
ganz vieles geht mit diesem einen Kulturgut-Verlust als Folge verloren.
Wo ich und meine Schwestern, wenn wir krank waren, von Muttern eine selbstgekochte Hühnerbrühe eingeflößt bekommen haben, bekommen heute auch Akademiker-Kinder wahrscheinlich einen Heiermann in die Tatze geschoben, auf daß sie sich bei McDreck einen Belohnungs-Burger kaufen können.
Meine Nichten haben von meiner Schwester, die in hochgeistigen Shpären durch die Welt irrlichtert, auf sicher auch nicht beigebracht bekommen, wie man ein Eigelb trennt.
Ob man Kartoffeln kalt aufsetzt oder evtl. einzeln in kochendes Wasser schmeißt - who knows???
Ich arbeite in einem sozialen Brennpunkt in Hamburg und tobe da natürlich auch öfter mal durch den Supermarkt.
Als eine grandios grotesk geschminkte ca. 25jährige vor mir ein Glas fertig gekochte, geschälte Kartoffeln aufs Band stellte, bekam ich Stielaugen......
ein fünf-Pfund-Sack vorwiegend festkochende oder meinethalben auch mehligkochende Kartoffeln kostet die Hälfte mehr, man hat aber fünfmal so lange was davon!!
Ich hatte nur die Erklärung, daß die Perle wohl in der Tat zu doof ist, Kartoffeln zu schälen und zu kochen.
..... wobei ich als die "Quoten-Nichtauswanderin" noch ganz zum Schluß loswerden möchte, daß ich ganz erschrocken darüber war, daß es in den USA mit dem Kochen am Vorhandensein von Herd oder Topf scheitern kann.
Darauf wäre ich nie gekommen, daß es aus Armut - auch - daran liegen kann. Ohweh.
Sorry, wenn ich mich zu Fastfood eher gar nicht ausgelassen habe und damit ziemlich OT geraten bin. Mir ging darum zu bestätigen, daß Anma keineswegs in der Bücherkiste der Gebrüder Grimm herumstöbert :-)
und daß auch "aus wohlhabendem Hause und/oder von der Bildung geküßt" mitnichten gleichzeitig heißen muß, daß man die Basics des Lebens wie z. B. Kochen drauf hat.
Liebe Grüße aus Hamburg
(Schmorgurken mit neuen Pellkartoffeln und gaaaaaaaaaanz viel Dill drüber) *schmatz*