Schweizer Volksentscheid gegen Minarette

Ezri

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Ich häng hier noch einen Leserbrief an, der ebenfalls nicht unbeachtet sein sollte...

Das angestrebte Schweizer Minarett-Verbot mit dem quid pro quo-Prinzip zu begründen, nachdem Muslime im Westen keine Minarette bauen dürfen, solange Christen in Teilen der muslimischen Welt Repressalien ausgesetzt sind, ist _natürlich_ ein Scheinargument.

Es geht ja auch nicht - oder allenfalls am Rande - um die Christen in Kairo, Bagdad oder Teheran, sondern um die Gegend eigene Haustür. Dort wollen offenbar 57,5% der Schweizer den Einflussbereich "der" Muslime beschnitten sehen, und da eine anderer Volksentscheid gerade nicht im Angebot war, entlud sich dieser Wunsch eben im Minarett-Verbot.

Die eigentliche Frage ist also, warum die Mehrheit der Schweizer und mutmaßlich auch der europäischen Bevölkerung so entschieden hat bzw. entscheiden würde. Bei der Beantwortung mag u.a. ein Zitat erhellend sein, das der amtierende türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am 6. Dezember 1997 auf einer Wahlveranstaltung geäußert haben soll (nachzulesen etwa in "Die Welt" vom 22. September 2004):

"Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten."

Erdogan ist ja nun kein Taliban mit MG im Anschlag, sondern Staatschef eines aus westlicher Sicht eher gemäßigten muslimisch geprägten Landes. Aber vermutlich denkt sich der gemeine Schweizer: Wenn DER schon solche Sprüche macht, dann verbieten wir mal lieber das Bajonett-Minarett, bevor es zu spät ist. Und "zu spät" heißt im Kopf des gemeinen Schweizers:

- mehr Frauen in Burka auf der Straße;
- mehr Menschen, die der Landessprache nicht mächtig sind und auch gar nicht mächtig sein wollen;
- mehr Ehrenmorde, begangen auf Grundlage der Scharia oder sonstiger kruder Moralvorstellungen;
- mehr potentielle Bombenbastler, die mit einem allahu akbar auf den Lippen einen Vorortzug in die Luft sprengen, weil ihnen "der Westen" nicht ins weltanschauliche Konzept passt.

Das alles mag auch eine "wirre Logik des Minarettverbots" sein - ist aber sicherlich eher verantwortlich für den Ausgang des Schweizer Volksentscheids als die Christen in Kairo.

Jener Erdogan, der nach der Abstimmung das Wort Faschismus benutzte...
 

Emmaglamour

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Naja... noch besser sind einige der Leserbriefe dazu.
Diesen hier finde ich persoenlich sehr gelungen:
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Zu kurz gedacht auch bei Kritikern des Entscheids
Denkfaulheit? Ja. Aber leider auch bei der Seite, die das Ergebnis kritisiert. Politisch korrekte Empörung bedeutet noch lange nicht, dass diese Empörung sachlich korrekt durchdacht wurde.

Eins vorab: In diese Abstimmung flossen sicherlich auch fremdenfeindliche, intolerante Gesinnungen ein. Aber das gilt allerorten in der Politik. Daraus zu schließen, dass das Gros der Schweizer nicht willens und fähig sei, differenzierter zu urteilen, pauschalisiert in demselben Maße, wie es jetzt den Verbotsbefürwortern vorgeworfen wird.

Wo liegen diese Differenzierungen?

Zunächst mal wurde nicht über den Islam oder gar die Religionsfreiheit im allgemeinen abgestimmt. Weltweit belegen von Herzen gäubige und praktizierende Muslime, dass sie Ihren Glauben ohne Minarette leben können.

Darüberhinaus werden allerorten Bauvorschriften erlassen, die Bauten untersagen, welche den Gesamteindruck der Gemeinden oder die städtebauliche Entwicklung nicht stützen oder sogar stören. Dies betrifft auch Bauwerke modernster Architektur und Bauherren der verschiedensten Hintergründe.

Die beiden genannten Punkte leisten weder eine Rechtfertigung noch eine Kritik der Abstimmung. Aber verantwortlicher, mitdenkender Journalismus sollte die offensichtliche Symbolwirkung der Abstimmung nicht hervorheben ohne zugleich auch den sachlichen Kern zu beleuchten. Das erste geschieht allerorten mit lautstarker Kritik. Das zweite bisher so gut wie gar nicht.
 

watashi

Well-Known Member
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JETZT noch nicht... glaub mir.. wenn die Minarette erst mal stehen.. kann sich das GAAANZ schnell aendern... sorry wenn ich das so sage.. aber gibt man ihnen den Finger, nehmen sie die ganze Hand...
Wie schoen dass du nicht verallgemeinerst.




Also mit Woerter wie Faschistisch und abartig wuerd ich ein wenig aufpassen... ;)

Das Volk hat entschieden.. was zeigt, dass viel Aufklaerung betrieben werden muss, weil die Leute einfach ANGST vor dem Islam haben.. ein KLEINER aber doch WICHTIGER Unterschied zu den Arabischen Laendern... die einfach keine Kirchen und Synagogen erlauben... und wo du als "Anderglaeubiger" gemeuchelt wirst!!!! also .. nicht "vergleichen".. sind zwei paar Schuhe...
Wir reden ueber die gleiche Schweiz, right? Die Schweiz die ich meine hat Frauen erst in den 70ern das Wahlrecht gegeben und ab 1939 mindestens 30000 Juedische Fluechtlinge nach Deutschland zurueckgeschickt. Das ist fuer mich auch niicht gerade ein Vorbildlicher Staat.

Und wie schon gesagt.. wer gibt mir die Bestaetigung, dass da NIE jemand auf die Idee kommt, das Minarett "zu benutzen"???
Dann sollen sie eben es illegal machen den adhan auszurufen. (Was ja unter Laermbelaestigunggesetzen wohl nicht schwer sein duerfte.)
 

Ezri

Adminchen
Administrator
Sie sollen gar nicht rufen und warum? Weil sie Religion und Staat nicht trennen und wenn sie rufen, bekunden sie somit ja, daß es ihr Staat ist und das ist es nunmal nicht.

Und ich frage mich schon die ganze Zeit, wo die sogenannten gemäßigten Moslems sind und ihre extremeren Glaubensbrüder und Schwestern nicht mal etwas bremsen? Oder gibts die am Ende gar nicht oder haben sie eventuell Angst vor ihnen, weshalb sie dann lieber nach Europa gehen, weil sie da ihre Religion freier ausleben können wie in ihren eigenen Ländern?

Ich weiß, sehr provokativ, aber Fragen, die nicht nur ich mir stelle...
 

ariel.prospero

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Hmmm...

- Moscheen sind erlaubt, Minarette nicht

- Kirchen sind erlaubt, Kirchtürme auch

- Minarette sind verboten, weil sie das Landschaftbild zerstoeren und Potential zur Lämbelästigung bieten

- Kirchtürme sind erlaubt, weil sie ins Landschaftsbild passen und Glockengeläut keine Lärmbelästigung darstellt

- Religionsfreiheit ist gut, solange es sich nicht um den muslemischen Glauben handelt

- Jemand, der dem muslemischen Glauben angehoert, integriert sich nicht, ist ein Stoerfaktor, spricht die Sprache nicht, ist potenziell gefährlich. Was ist mit Schweizern, die zum muslemischen Glauben übertreten? Sind die nicht integriert, stoeren die, sind die der Sprache nicht mächtig und potenziell gefährlich?

Konsequenz kann man den guten Schweizern wirklich nicht vorwerfen, oder?
 

Ezri

Adminchen
Administrator
Ariel, der Islam wird nicht nur als Religion praktiziert, sondern auch als Staatsform. Wer in dieser Staatsform leben möchte, der ist in einigen Ländern einfach Fehl am Platze.
Und wenn sich die Extrmisten dieser religiösen Staatsform es auf die Fahne geschrieben hätten, die Welt komplett regieren zu wollen, dann würde man sich sicherlich nicht gegen ein paar Minarette aussprechen, die in diesem Fall symbolisch für die "Machtübernahme" stehen.

Und wie fortschrittlich sind denn muslimische Länder, die keine Kirchenbauten dulden?

Die einen sollen in ihrem Land zulassen, was die anderen in ihrem Land nicht zulassen?

Wieso dürfen Türkinnen in Deutschland Kopftuch tragen, aber nicht in der Türkei (im öffentlichen Dienst usw.)?
 
T

teriyake

Guest
Ariel, der Islam wird nicht nur als Religion praktiziert, sondern auch als Staatsform. Wer in dieser Staatsform leben möchte, der ist in einigen Ländern einfach Fehl am Platze.

Wieso dürfen Türkinnen in Deutschland Kopftuch tragen, aber nicht in der Türkei (im öffentlichen Dienst usw.)?

Ad 1) Hab nettes Interview mit Roger Koeppel (ueber den ich ja meine Meinung schon habe, seit seinem Staiblin Editorial...) auf Zib2 gesehn, wo der Herr ebenso argumentiert hat - wer Minarette will, kann ja woanders leben. Was er imho vergisst, ist doch aber, dass ein Grossteil der muslimischen Bevoelkerung nicht einfach mal schnell in den Iran oder in die Tuerkei umsiedeln wird, weil sie Schweizer (oder Deutsche oder Oesterreicher) sind. Wo leben wir denn, wenn als Antwort auf eine Diskriminierung kommt "dann zieh halt weg" *und ja, fuer mich ist das Minarett Verbot eine Diskriminierung, denn Kirchen duerfen auch gebaut werden - dass ein Minarett nicht in die Landschaft passt ist durch Bauvorschriften bzgl. Hoehe, Gestaltung etc. imho durchaus in den Griff zu bekommen, und dass es nicht zur Schweiz passt, ist einfach geschichtlich bedingt, aber die Zeiten haben sich halt geaendert*

2) Antwort: ;) Deutschland ist kein laizistisches Land, im Gegensatz zu Frankreich oder der Tuerkei. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, sei dahingestellt.

Jedenfalls - ich war etwas entsetzt, und bin wieder mal in meiner Meinung ueber Teile der Schweiz bestaetigt worden...das Land, wo Frauen seit ein paar Jahren schon waehlen duerfen. :wohoo

Ei nu, fuerm ich wieder mal ein Beweis meiner Theorie (und dafuer bekomme ich immer Haue), dass man das Volk beileibe nicht ueber alles entscheiden lassen sollte (siehe auch Irland, Kalifornien und Maine), weil der Durchschnittsbuerger haeufig von irrationaler Furcht oder nicht sachlichen Motiven (z.B. mal der Regierung eins reinwuergen - haeufig ja ei EU Entscheidungen der Fall) getrieben entscheidet.

VG
T
 

ariel.prospero

Well-Known Member
Ariel, der Islam wird nicht nur als Religion praktiziert, sondern auch als Staatsform. Wer in dieser Staatsform leben möchte, der ist in einigen Ländern einfach Fehl am Platze.
Und wenn sich die Extrmisten dieser religiösen Staatsform es auf die Fahne geschrieben hätten, die Welt komplett regieren zu wollen, dann würde man sich sicherlich nicht gegen ein paar Minarette aussprechen, die in diesem Fall symbolisch für die "Machtübernahme" stehen.

Und wie fortschrittlich sind denn muslimische Länder, die keine Kirchenbauten dulden?

Die einen sollen in ihrem Land zulassen, was die anderen in ihrem Land nicht zulassen?

Wieso dürfen Türkinnen in Deutschland Kopftuch tragen, aber nicht in der Türkei (im öffentlichen Dienst usw.)?

Seit wann ist die Schweiz ein islamischer Staat? Welche Gefahr geht für die Schweiz vom Bau eines Minaretts aus?

Traurig finde ich, dass alle Muslims (wenn es gerade passt) mit religioesen Fanatikern in einen Topf geworfen werden. Mit derselben Begründung koennte man alle Christen als Fanatiker abstemplen, weil vor allem hier in den USA einige Fanatiker, die sich Christen nennen, unter anderem zum offenen Aufstand gegen die derzeitige Regierung aufrufen und am liebsten das Rad so weit zurückdrehen moechten, dass wir in allerkuerzester Zeit wieder im Mittelalter ankommen würden.

Kopftuch - sind die nicht auch in D z.B. bei Lehrerinnen (also im oeffentlichen Dienst) verboten? Ich meine, mich da an einige Gerichtsurteile erinnern zu koennen.

Das Argument "man darf in manchen muslemischen Ländern auch keine Kirchen bauen" steht für mich auf etwas wackligen Füssen. Gerade weil das in einigen Ländern nicht erlaubt ist, sollten aufgeklärtere Länder mit gutem Beispiel vorangehen und nicht ihrerseits solche Verbote aussprechen.

Ich befürchte, dass sich die Bewohner der Schweiz mit diesem Votum keinen Gefallen getan haben. Ich befürchte weiterhin, dass dieses Votum nur ein weiterer Schritt auf einem Wege ist, Freiheiten im Lande für diejenigen, die "stoeren", einzuschränken. Die Schweiz neigt leider historisch dazu, sich extrem konservativ und insulär zu verhalten.

Ich hoffe natürlich sehr, dass ich mich irre.
 
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