Traveller, ich glaube, alles was du tun musst, ist an deiner Einstellung zu arbeiten, zum Leben und zu Deutschland an sich.
Ich verstehe, dass man frustriert ist, wenn man krank ist und vielleicht auch sonst alles nicht so laeuft, wie man es gerne haette. Ich habe aber einen ganz starken Glauben daran, dass die Welt immer so schoen oder schlecht ist, wie man sie selbst sieht. Es gibt sicherlich Menschen, denen geht es noch viel schlechter als dir, trotzdem geniessen sie ihr Leben mehr und finden immer wieder etwas Gutes, an dem sie sich freuen koennen.
Das glaube ich auch. Manchmal sind es einfach kleine Gesten, die von einem selber ausgehen müssen, die einen großen Umschwung einleiten.
Noch was praktmatisches hinterher geworfen, wenn Deine Heimatstadt in einem Schlechtwetterloch liegt, dann schau ob Du in eine andere Stadt umziehen kannst. Freiburg z.B. hat meines wissens nach eine recht hohe Anzahl an Sonnenstunden im Jahr. Und ein Umzug innerhalb Deutschlands ist bedeutend günstiger als eine Auswanderung.
... und die Sozialleistungen kann man auch "mitnehmen", die Sprache ist bekannt etc.
Nochmal danke.
Das mit der kleinen Wolke, muß ich mal gucken; da steht sogar mein Name drauf, glaube ich
Es gibt eine Episode des "Rosaroten Panthers", da wird Paulchen Panther von so einer privaten Regenwolke verfolgt - bis ins Haus. Sehr lustig. Vielleicht ist die Episode online zu finden - falls Du mal Erheiterung brauchst.
Meine Einstellung kommt nicht aus dem Nichts, sie ist gewachsen aus vielen Erfahrungen, weil ich erleben musste, wie neben dem Leben auch die Menschlichkeit wegbröckelt. Es mag sein, daß Deutschland den Ruf hat, von wegen Sozialsystem. Aber je kaputter man geht, desto kälter wird der Umgang mit einem; es würde zu sehr ins Detail gehen, alles darzustelllen, und ich habe auch die Erfahrung gemacht: Nichtbehinderte können sich das einfach nicht plastisch vorstellen, manchmal gar nicht verstehen.
Ich bin sicher, dass Nichtbehinderte einen anderen Blickwinkel haben, ich bin aber auch sicher, dass man auch mit schweren Behinderungen in Deutschland glücklich sein kann. Ich kenne zahlreiche Fälle, in denen die Betroffenen nicht aufgegeben haben, sondern sich ein schönes, zufriedenstellendes Leben aufgebaut haben, trotz Behinderung. In einigen Fällen hat die Behinderung sogar dazu geführt, dass diese Menschen regelrecht über sich hinausgewachsen sind, weil sie sich eben nicht von ihrer Behinderung einschränken und sich dadurch definieren lassen wollten. Das geht von einer blinden Biathletin und einem beinamputierten Abfahrts-Alpinisten bis hin zu einem von der Taille abwärts gelähmten Weltreisenden, der Berge besteigt und sich im Paragliding versucht hat. Die größte Barriere besteht immer im Kopf.
Die Problematik der Umgebungskälte stellt sich sicher dem einen oder anderen, aber auch da muss man sich eventuell fragen, ob man selber mit sich befreundet sein wollte, wenn man in den Schuhen des anderen stecken würde. Das beziehe ich nicht auf die Behinderung, sondern auf die zur Schau gestellte Einstellung. Niemand umgibt sich gern mit Menschen, die negativ auftreten, viel jammern etc. Ich sage nicht, dass Du negativ auftrittst oder andere volljammerst, ich sage lediglich, dass man selber hinterfragen sollte, ob man wirklich der Persönlichkeitssonnenschein ist, für den andere gern Zeit aufwenden. Du hast es natürlich vergleichsweise schwer, wenn Du - wie Du schriebst - Probleme hast, zu sprechen. Bist Du denn in Zeichensprache firm? Eventuell wäre das ja ein Weg, die Kommunikation mit Dritten für Dich zu vereinfachen? Du bist zwar nicht gehörlos, aber wenn das Sprechen so schwerfällt, dann wäre das eventuell eine Option für Dich, die Dir auch die Kontaktaufnahme zu Dritten vereinfachen würde?
Und wie eingeschränkt bist Du im täglichen Leben? Könntest Du denn nur mal so als Beispiel - irgendwelche ehrenamtlichen Engagements ausüben? Das ist ein Weg, um Kontakte zu (warmherzigen...) Gleichgesinnten herzustellen, neue Freunde zu finden, eine bedeutungsvolle Aufgabe zu haben (was m.E. Deinem gesamten Lebensgefühl deutlich Auftrieb geben könnte) etc.
Ich denke aber auch, dass Du in Deutschland dank des hervorragenden Sozialnetzes erst in der Lage bist, Dir über die (empfundene) Kälte Dritter Gedanken zu machen. Das ist ein Luxus. In den USA wärest Du tagein, tagaus damit beschäftigt, nicht zu verhungern und Dich über ein Dach über dem Kopf zu sorgen. Nicht zu verrecken, wenn man's genau betrachtet. Da bliebe für emotionale Betrachtungen gar keine Zeit.
Zum Umziehen; wie sollte das praktisch aussehen? Besichtigungen etc. geht ja so nicht.
Warum nicht? Gucken kannst Du doch; Dein Augenlicht ist doch, soweit ich das verstehe, nicht beeinträchtigt.
Oder bist Du gar nicht mobil?
Ok ok, ich weiß, was in den Startlöchern steh, nämlich "aber Amerika ginge?". Deswegen ja auch eine Wohnanlage für Rentner, ich hatte da (wohl die falsche) Vorstellung, daß es irgendwie so ginge (darum fragte ich ja auch hier). Und wenn, dann richtig - so jedenfalls war es geplant; denn ob z.B. in Freiburg in Sachen Ämter alles so relativ! ruckelfrei läuft wie hier, wäre ja auch noch ein universell zu lösendes Rätsel
Du sagst selber, im Moment läuft alles relativ "ruckelfrei". Das ist Gold wert!
Spendenaktionen gibt es auch in Deutschland, es ist nur der Mentalität in Deutschland geschuldet, dass man da nicht so ein riesen mediales Heiopei von macht, wie in den USA
Das stimmt. Denkt mal an die Oderflut. Oder an die Spendenaktionen nach dem riesigen Tsunami auf Bali.
Meistens laeuft es so, dass Nachbarn und Freunde fuer einen in Not geratenen (bei uns war es zum Beispiel ein Bekannter, der bei einem Motorradunfall seine Beine verloren hatte) eine Party organisieren und dann einen fundraiser starten, das gibt meistens ein kleines Vermoegen, dass dafuer reicht, das Haus behindertengerecht umzubauen, wenn man Glueck hat. Danach ist man dann meistens wieder auf sich allein gestellt, denn die Hilfe kommt am Anfang und dann geht es eben meistens nicht weiter.
Ob das meistens ein kleines Vermögen gibt, sei dahingestellt. Oft kommt da auch nur eine Winzigkeit zusammen, denn viele Menschen haben einfach kein Budget für Spendenfreigiebigkeit.
Vor zwei Jahren haben wir hier auch für einen guten Freund gesammelt, der an Krebs erkrankt war und arbeitsunfähig wurde. Ein freiberuflicher Bühnenmanager, selber stets zum Wohle Dritter im Einsatz, der zum Glück eine gute KV über die Theatergewerkschaft hatte, so dass seine Krankenkosten weitgehend gedeckt waren, aber er konnte natürlich mit Gehirntumoren und Lungenkrebs nicht arbeiten. Da haben wir einige Benefizveranstaltungen abgehalten, bei denen alle Künstler kostenlos aufgetreten sind, und Menschen haben überdies online gespendet, damit der seinen Lebensunterhalt bestreiten und jemanden bezahlen konnte, der ihn zu den Behandlungen fährt, Freunde haben für ihn alle möglichen Besorgungen erledigt etc. Wundersamerweise ist sein Hirn inzwischen krebsfrei (!); lediglich ein Lungentumor ist noch vorhanden, so dass dieser Freund seit einigen Monaten begrenzt wieder arbeiten kann. Damit er seine KV behalten kann, haben andere Bühnenarbeiter überdies "Gewerkschaftsstunden" für ihn gespendet; anderenfalls hätte er nach dem Jahr ohne Arbeit seine KV verloren. Das war schon ein toller Zusammenhalt der Theatergemeinde, der da demonstriert wurde, aber so etwas kann ein Neu-Immigrant nicht erwarten. Und das Ausmaß der Spenden für Garry war in meinen Augen die Ausnahme und nicht die Regel. Er ist allerdings auch ein ganz besonders liebenswerter Mensch, der viele Menschen berührt.
Ich denke aber auch, dass die Hilfsbereitschaft daher ruehrt, dass es den Menschen gleich richtig scheisse geht, wenn was passiert. Hier in Deutschland sorgt ja der Staat fuer das Noetigste, da muss der Nachbar nicht ran.
Das stimmt auf jeden Fall.
Ich ärgere mich zudem immer tierisch, wenn so getan wird, als ob die Deutschen kaltherzig und egoistisch sind. Weils einfach nicht stimmt. Es engagieren sich unheimlich viele Menschen ehrenamtlich - egal ob beim Roten Kreuz, THW, Feuerwehr, ob sie alleinstehende Patienten besuchen, Kindern vorlesen, Kleiderspenden für Flüchtlinge sammeln, bei der Tafel helfen, in Sportvereinen.
Das sehe ich ganz genauso.
Und diejenigen, die am lautesten tönen, dass die Deutschen so kalt und egoistisch seien, sind in der Regel diejenigen, die selber nichts für die Allgemeinheit tun. Meine gesamte Familie und mein ganzer Freundeskreis ist hilfsbereit und engagiert. Ich hab' auch immer viel Ehrenamtliches gemacht - Amnesty International, BUND, Sportverein, Strafgefangenenbetreuung etc., und ich war x Jahre lang studentische Vertreterin in allen möglichen Unigremien. Blut gespendet habe ich auch jahrelang beim DRK (mache ich immer noch jedes Mal, wenn ich in Deutschland bin; in den USA darf ich ja nicht). Wir haben auch seinerzeit von der Hilfsbereitschaft Dritter profitiert, als mein Vater jahrelang schwer krank war und zwei Stunden entfernt in einer Spezialklinik lag und wir ohne Auto dort nicht hinkamen (meine Mutter hatte damals keinen Führerschein) und wir einfach darauf angewiesen waren, dass uns jemand fährt. Da waren "die Deutschen" alles andere als kalt und herzlos.
Ich schreibe nicht, daß das spaßig ist, arm in Deutschland zu sein.
Aber arm in Deutschland und arm in USA ist eine völlig andere Dimension.
Und es ist schlicht und einfach so: In den USA bist Du von der Wohltätigkeit und der "Barmherzigkeit" abhängig in Fällen, in denen Du in Deutschland einfach ein gesetzliches Recht auf staatliche Unterstützung hast. Und dafür klopfen sich die Menschen dort dann auf die Schulter.
Im Grunde ist es ganz schön erbärmlich, wie fahrlässig die USA mit ihren Bedürftigen und Hilfesuchenden umgehen. Jede Gesellschaft ist imme rnur so gut, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht. Und da stehen die USA so ungefähr auf einer Stufe mit Somalia.
Sieht man ja schon an der Fluechtlingshilfe. Das sind fast alles Ehrenamtliche, die da helfen. Ohne die waere der Staat gerade noch heilloser ueberfordert als er sowieso schon ist.
Ich stimme dir voll und ganz zu, Wendy!