Schule in USA kann so toll sein...

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RLX1470

Guest
Wo genau habe ich das denn gesagt?

Natürlich sollte jeder - unabhängig von sozialer Herkunft und finanziellen Mitteln - studieren können. Und der Normalfall kann gerne sein, dass sich der Studierende dafür verschuldet - nenne es mal eine "ruhende Verbindlichkeit". Die Schulden werden erst aktiviert und abgetragen wenn genügend Einkommen da ist.

Lass es mich so formulieren, dass es inhaltlich gleich ist aber weniger bedrohlich klingt: Jeder kann, Qualifikation vorausgesetzt, umsonst studieren. Akademiker, die "umsonst" studiert haben zahlen X Jahre einen Aufschlag auf die Einkommensteuer von Y%. Nennen wir es einen Bildungs-Soli. Wo wäre damit das Problem? Studiert dann keiner mehr? Aus Deutschland ist ja auch nicht die ganze Bevölkerung abgewandert weil der Ost-Soli kam.

Bestes Beispiel: Pilotenausbildung bei der Lufthansa. Die können sich vor Bewerbern kaum retten, es ist die beste Ausbildung in dem Bereich. Als Student übernimmst Du einen Eigenanteil von €70.000, den Du später in monatlichen Raten zu €300 zurückzahlen kannst wenn Du in den Liniendienst übernommen wirst. Und niemand würde der Lufthansa unterstellen, eine Zwei- oder Dreiklassengesellschaft (außer bei ihren Kunden) herbeiführen zu wollen.

Und natürlich profitieren Staat und Wirtschaft von gut ausgebildeten Leuten, das stelle ich nicht in Frage. Leider geht es dem Staat am Ende doch um Steuereinnahmen und der Wirtschaft um Gewinnmaximierung. An deren Stelle würde ich mir auch die Hände reiben wenn ich auf Staatskosten gut ausgebildete Leute in Deutschland bekomme und meine Gewinne global ins steuerfreundliche Irland verschieben kann. Der Dumme ist am Ende der sozial schwache in Deutschland weil auch mit der ermäßigten Mehrwertsteuer auf seine Grundnahrungsmittel das Studium des Herrn Dr. finanziert. Übrigens derselbe Herr Dr. der bei erster Gelegenheit sein Geld ins Ausland schafft, um an seinen eigenen Steuern zu sparen.

Ich finde das einfach ungerecht. Ausbildung hat einen Wert, auch einen finanziellen. Und für den kann ruhig derjenige aufkommen, der die Ausbildung erhält.

Wie gesagt - nur eine Meinung und zwar eine diskutierbare.
 

Ace

Well-Known Member
Wo willst du denn die Grenze ziehen, ab wann Bildung etwas kosten soll? Ab der 9. Klasse? Ab da könnte man ja eine Ausbildung machen und muss nicht mehr dem Staat auf der Tasche liegen. Aber halt! Die Ausbildung müsste man auch direkt bezahlen, denn die Berufsschullehrer werden auch vom Staat bezahlt.
Studiengebühren sind ein sehr heikles Thema und wenn du tatsächlich die Kosten eines Studiums auf die Studenten abwälzen willst, garantiere ich dir, dass fast niemand mehr studieren würde. Schon ohne Studiengebühren ist ein Studium für viele Studenten ein finanzieller Drahtseilakt.
Da beißt sich dann die Katze in den Schwanz, denn es fehlen dann nicht nur die Hochqualifizierten, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, sondern auch die Gutverdiener, die entsprechende Steuern zahlen. Womit sie übrigens auch wieder einen Teil der Ausbildungskosten wettmachen, das ist doch sowieso fast ein "Bildungs-Soli", wie du es so nett bezeichnest. Der Vergleich mit dem Ost-Soli hinkt übrigens so massiv, dass man gleich das ganze Bein amputieren muss.

Es gibt bestimmte Dinge, für die hat der Staat Sorge zu tragen und eine vernünftige Ausbildung gehört meiner Meinung nach dazu. Das ist nicht nur im Interesse der Bevölkerung, sondern am Ende auch im Interesse des Staats. Nicht umsonst wurden die Studiengebühren in allen deutschen Bundesländern wieder zurückgenommen. Deutschland ist ein Land, dessen Wirtschaftskraft hauptsächlich auf seiner gut ausgebildeten Bevölkerung beruht.

Übrigens derselbe Herr Dr. der bei erster Gelegenheit sein Geld ins Ausland schafft, um an seinen eigenen Steuern zu sparen.

Sorry, aber das sind Stammtischparolen. Ein Großteil der in Deutschland ausgebildeten Akademiker arbeitet in Deutschland und zahlt Steuern. Deutlich mehr als der "sozial Schwache, der mit seiner Mehrwertsteuer das Studium des Herrn Dr. finanziert". Was würde übrigens der zitierte sozial Schwache tun, wenn es gar keinen Herrn Dr. mehr gäbe, zu dem er gehen kann, wenns mal am Herzen zwickt? Denn der hat stattdessen lieber Bankkaufmann gelernt, weil er sich das Medizinstudium nicht leisten kann.
 
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RLX1470

Guest
Wir dürfen ja unterschiedlicher Meinung sein. Kein Grund ungehalten zu werden. Nicht, dass Du am Ende noch einer der angesprochenen Doktoren bist und mir deshalb das analogische Bein amputieren willst.

;)


Also ich würde die Grenze ziemlich genau beim Hochschulstudium ziehen, da der Staat nicht für alle optionalen Ausbildungsschritte verantwortlich sein kann. Aber das ist sicherlich diskussionswürdig. Und wenn Du nach England im 19. und frühen 20. Jahrhundert schaust wirst Du sehen, dass der Schnitt auch anders gemacht werden kann. Hier die gesellschaftliche Willensbildung zu verfolgen sehe ich als eigentliche Aufgabe der Politik.

Und ich denke, dass die USA ein gutes Beispiel dafür sind, dass Deine Vermutung, ein gebührenpflichtiges Studium halte die Studenten ab, nicht stimmt: "Enrollment in degree-granting institutions increased by 11 percent between 1990 and 2000. Between 2000 and 2010, enrollment increased 37 percent, from 15.3 million to 21.0 million. Much of the growth between 2000 and 2010 was in full-time enrollment; the number of full-time students rose 45 percent, while the number of part-time students rose 26 percent". Quelle: U.S. Department of Education, National Center for Education Statistics. (2012). Digest of Education Statistics.

Anscheinend halten selbst steigende Studiengebühren die Amerikaner nicht davon ab, sich vermehrt in eine akademische Ausbildung zu begeben.

Die Abschaffung der Studiengebühren in Deutschland - eher ja eine Art Nominalbeitrag weil nichts mit kostendeckend zu tun - sehe ich eher als politische Entscheidung, um Wählerstimmen und Goodwill zu erhalten. Egal welche Partei, am Ende sind Wohltaten immer besser für das Wahlvolk als die - manchmal unangenehme - Wahrheit über Kosten.

Und natürlich möchte ich Herrn Dr. nicht unter Generalverdacht stellen. Aber das mit der reinen Stammtischparole stimmt leider auch nicht ganz. Ich habe in meinem bisherigen Leben beruflich viel Zeit mit und für diese Klientel verbracht. Bitte glaube mir, noch bis vor einigen Jahren war es - oberhalb einer gewissen Einkommensgrenze - fast guter Ton, seine Steuerlast so kreativ wie möglich zu reduzieren. Schlechtes Gewissen war Fehlanzeige - aber vielleicht hat sich das ja in jüngster Zeit mit steigendem Entdeckungsrisiko geändert.

Fazit: ich stimme mit Dir überein, dass Bildung (hier wie dort) integraler Bestandteil von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ist. Die USA verfolgen da - wie auch bei anderen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben - einen anderen Weg als Deutschland. Wir beide haben uns für ein Leben hier entschieden und können darum ja gar nicht anders, als die lokalen Gegebenheiten zu akzeptieren. Ich bin damit sehr ok und hoffe für Dich, dass Du es auch bist.

Peace!
 

middlestreet

Well-Known Member
Und ich denke, dass die USA ein gutes Beispiel dafür sind, dass Deine Vermutung, ein gebührenpflichtiges Studium halte die Studenten ab, nicht stimmt: "Enrollment in degree-granting institutions increased by 11 percent between 1990 and 2000. Between 2000 and 2010, enrollment increased 37 percent, from 15.3 million to 21.0 million. Much of the growth between 2000 and 2010 was in full-time enrollment; the number of full-time students rose 45 percent, while the number of part-time students rose 26 percent". Quelle: U.S. Department of Education, National Center for Education Statistics. (2012). Digest of Education Statistics.

Anscheinend halten selbst steigende Studiengebühren die Amerikaner nicht davon ab, sich vermehrt in eine akademische Ausbildung zu begeben.

Bei Deiner Rechnung hast Du aber einige Sachen vergessen:

1) Studieren ist in den USA die einzige Art der höheren Ausbildung. Es gibt kein Ausbildungssystem, wie in Deutschland. Entweder sucht man sich direkt nach der Highschool einen Job und wird ohne zusätzliche Ausbildung für immer eher schlechtbezahlte Jobs haben. Oder man studiert und hat damit Chancen, einen besser bezahlten Job zu finden.

2) Die Geburtenrate stieg bis zu den 90er Jahren, was nach einigen Jahren auch zu mehr Studenten führt.

3) Das Einkommsniveau steigt. Damit steigt das Preisniveau und auch die Studiengebühren. Studieren ist also real nicht unbedingt teurer geworden.
 
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RLX1470

Guest
Gut, dann nehmen wir doch einfach Daten der OECD für die tertiäre Ausbildung von 2010 (in % der Gesamtbevölkerung):

Seite 13: Deutschland 27%, USA 42%.

Quelle: "Education at a Glance 2012: Highlights". Definition: Tertiäre Ausbildung = ISCED Gruppen 5A & 5B wobei die erste einem regulären Studium und die zweite einer berufsbegleitenden dreijährigen Fachausbildung entspricht.

http://www.oecd.org/edu/highlights.pdf

NB: Korea, Japan, Kanada ganz weit vorne mit 55-65%.

Und hier noch der Anstieg der Tuition Cost um 499% ggü. dem Consumer Price Index um 115% von 1985-2011:

http://inflationdata.com/inflation/inflation_articles/Education_Inflation.asp
 
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Ace

Well-Known Member
Wir dürfen ja unterschiedlicher Meinung sein. Kein Grund ungehalten zu werden. Nicht, dass Du am Ende noch einer der angesprochenen Doktoren bist und mir deshalb das analogische Bein amputieren willst.

Bin keiner der Doktoren, aber man muss eben auch sehen, dass Akademiker einen gesellschaftlichen Mehrwert bringen. Das ist einfach so. Klar gibt es die schwarzen Schafe, die ihr Geld ins Ausland verfrachten, da stimme ich dir absolut zu. Die Mehrzahl tut es aber nicht.
Das Bein will ich dir amputieren, weil du einen Ost-Soli nicht mit dem von dir vorgeschlagenen Bildungs-Soli vergleichen kannst. ;)


Und ich denke, dass die USA ein gutes Beispiel dafür sind, dass Deine Vermutung, ein gebührenpflichtiges Studium halte die Studenten ab, nicht stimmt: "Enrollment in degree-granting institutions increased by 11 percent between 1990 and 2000. Between 2000 and 2010, enrollment increased 37 percent, from 15.3 million to 21.0 million. Much of the growth between 2000 and 2010 was in full-time enrollment; the number of full-time students rose 45 percent, while the number of part-time students rose 26 percent". Quelle: U.S. Department of Education, National Center for Education Statistics. (2012). Digest of Education Statistics.

Anscheinend halten selbst steigende Studiengebühren die Amerikaner nicht davon ab, sich vermehrt in eine akademische Ausbildung zu begeben.
Hmm, middlestreet hat ja schon erwähnt, dass ein Studium so ziemlich die einzige Art der höheren Ausbildung ist. Früher konntest du mit einem High School-Abschluss noch einige Jobs annehmen. Heute fangen selbst Leute nach ihrem Studium oft auf Minimum Wage an oder übernehmen eben genau diese Jobs, die früher mit HS-Abgängern besetzt wurden. Hinzu kommt, dass der Arbeitsmarkt so sehr im Wandel ist, dass höhere Qualifikationen einfach Not tun, wenn man nicht arbeitslos werden will.

Außerdem: Woher willst du denn wissen, ob nicht ohne Tuition nicht noch viel mehr Amerikaner studieren würden? Ich kenne einige Beispiele aus meinem Bekanntenkreis, die genau deswegen nicht studiert haben, bzw. dies erst in ihren 30ern gemacht haben. Ohne Financial Aid könnten sehr viele Amerikaner nicht studieren, das ist ein Fakt. Ein sehr guter Freund von mir hat, trotz massivem Financial Aid nach seinem Bachelor nun $65,000 Schulden. Die kann er (sollte er denn mal einen gutbezahlten Job finden) über Jahrzehnte abbezahlen. Sollte das in Deutschland passieren, hast du garantiert keine Studenten mehr, außer ein paar Eliten. Gut, dass so etwas in Deutschland politisch niemals umsetzbar sein wird. Freie Bildung ist (zumindest in meinem Heimat-Bundesland Hessen) im Grundgesetz verankert.

Die bestmögliche Bildung einer möglichst breiten Bevölkerung zugänglich zu machen ist meiner Meinung nach eine der größten Errungenschaften unserer westlichen Welt. Davon profitiert jeder einzelne und auch der Staat. Wer das rückgängig machen will, kann auch gleich die Zeitmaschine Richtung Mittelalter anwerfen.

Die Abschaffung der Studiengebühren in Deutschland - eher ja eine Art Nominalbeitrag weil nichts mit kostendeckend zu tun - sehe ich eher als politische Entscheidung, um Wählerstimmen und Goodwill zu erhalten. Egal welche Partei, am Ende sind Wohltaten immer besser für das Wahlvolk als die - manchmal unangenehme - Wahrheit über Kosten.

Die paar Studenten kannst du wohl nicht als "Wahlvolk" bezeichnen, ob die was zahlen oder nicht wird an den Ergebnissen der Wahl nicht viel ändern. Es ist durch alle Bevölkerungsschichten hindurch politisch nicht durchsetzbar, auch nicht bei denen, die nie studiert haben. Kostendeckende Studiengebühren wird es nie geben, die gibt es ja nicht mal in den USA, zumindest nicht an den staatlichen Hochschulen.

Ich finde auch, dass man Bildung nicht immer unbedingt in "Zahlen" ausdrücken kann. Die Tendenz an den Unis geht ja heutzutage schon sehr in die Richtung, welche Fächer viel Geld bringen. Mit dieser Einstellung wird es in Deutschland wohl keinen neuen Kant oder Goethe mehr geben.


Auch Peace. ;) Ich hoffe, du fühlst dich nicht persönlich angegriffen. Ich diskutiere nur gerne, dafür ist ein Forum ja da. :D Und beim Thema Studium kenne ich einfach auch die Sichtweisen auf beiden Seiten des großen Teichs.
 
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RLX1470

Guest
Quatsch, ich fühle mich da nirgendwo angegriffen. Diskussionen machen Spaß und wenn es unsachlich oder persönlich wird dann verabschiede ich mich einfach. Angreifen lasse ich mich schon lange nicht mehr... :D Solange es Dir auch Spaß macht, mache ich mit.

Wie gesagt, ich sehe den Einfluss von Studiengebühren auf die "Studierwilligkeit" weniger dramatisch als Du. Weniger Studenten, ja, aber die Akademikerquote ist kein Selbstzweck. Du hast ja schon gesehen, dass ich das Ganze ökonomisch sehe und darum gibt es auch dabei eine Kosten-Nutzen-Betrachtung.

Wie Du ja sagst kennst Du die Sichtweisen auf beiden Seiten - wie ich auch. Ich bin Anfang der 90'er aus einem amerikanischen Studium mit ca. $250.000 Kosten rausgegangen und habe es keine Sekunde bereut. Auch meine damaligen Kommilitonen haben an der Rückzahlung ihrer Studiengebühren keinen Schaden genommen, ganz im Gegenteil. Wir fühlen uns noch heute einer Gemeinschaft verbunden und spenden regelmäßig an die Uni-Organisationen auch wenn alle Studienkredite lange zurückgezahlt sind. Auf der anderen Seite habe ich in Deutschland viele Jahre Recruiting betrieben und war zum Teil mehr von der Masse überwältigt was das deutsche Hochschulsystem betrifft. Auch hier natürlich keine Allgemeingültigkeit auf beiden Seiten des Atlantiks.

Und ich stimme mit Dir ja überein, dass Bildung ein gesamtgesellschaftlich erstrebenswertes Ziel ist (hatte ich das nicht schon geschrieben) insofern überrascht mich Dein Kommentar zum Mittelalter. Nur muss die Bildung für alle auch bezahlbar sein und bezahlt werden. Sonst hast Du am Ende eine gut ausgebildete Bevölkerung, die in ihren Heimatländern von Staatsschulden geplagt wird.

Übrigens hatte Goethe Privatlehrer, ebenso wie seine Kinder. Und auch Kants Studium um 1750 war noch von einer Zeit geprägt, in der die Professoren von den Studenten bezahlt wurden in der aber auf jeden Fall ein Studium kostenpflichtig war. Insofern muss ich Dir widersprechen: Es gab in Deutschland Goethe und Kant weil (oder obwohl) es kostenpflichtige Ausbildungen gab. ;) Kostenlose Bildung alleine schafft noch keine Genies.

Ich habe aber inzwischen eine Theorie warum wir die Thematik, obwohl wir wohl beide Systeme kennen, so unterschiedlich sehen. Leider gibt Dein Profil nichts dazu her aber so wie Du argumentierst vermute ich jetzt mal, dass uns beide 15 wenn nicht eher 20 Jahre trennen. Das ist jetzt nicht wertend gemeint, bitte nicht falsch verstehen und korrigiere mich wenn das nicht richtig ist. Ich hatte seit meinem Studium 20 Jahre Zeit, um mir als Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Steuerzahler, Vater und Wähler die Thematik - insbesondere in Deutschland - anzusehen und sie mitzuerleben. Meine Sichtweise pro-Studiengebühren ist ein Ergebnis dieser Erfahrungen, insbesondere von der Erkenntnis was in Deutschland in das Bildungssystem investiert und was am Ende herauskommt ... und das meine ich jetzt nicht nur finanziell.

NB: Ganz wichtig: Ich will damit weder sagen, dass Dir Erfahrung fehlt, noch dass Du nach 20 Jahren beim selben Ergebnis ankommen wirst. Ich will Dir nur erklären warum ich die Dinge so sehe. Ich habe Spaß an jeder anderen Meinung solange sie sachlich vorgetragen und vernünftig untermauert ist.

Still Peace!
 

Ace

Well-Known Member
Wie gesagt, ich sehe den Einfluss von Studiengebühren auf die "Studierwilligkeit" weniger dramatisch als Du. Weniger Studenten, ja, aber die Akademikerquote ist kein Selbstzweck. Du hast ja schon gesehen, dass ich das Ganze ökonomisch sehe und darum gibt es auch dabei eine Kosten-Nutzen-Betrachtung.

Das ist aber doch genau das Problem. Bildung kannst du nicht auf Zahlen reduzieren und der Unibetrieb kann nicht mit einem Wirtschaftsunternehmen gleichgesetzt werden. Damit würdest du den ganzen Fächern, die keinen Gewinn bringen, den Boden unter den Füßen wegziehen. Schon jetzt wird der Unibetrieb in Deutschland von solchen Tendenzen geprägt. Da gab's mal eine recht tolle Dokumentation drüber, die hatte einen Titel so ähnlich wie "Vom Turbo-Abi zum Turbo-Bachelor". Wenn du Dinge nach Kosten und Nutzen bewerten willst, fallen mir ganz andere Dinge ein, die eher korrigiert werden sollten als das kostenfreie Studium.


Wie Du ja sagst kennst Du die Sichtweisen auf beiden Seiten - wie ich auch. Ich bin Anfang der 90'er aus einem amerikanischen Studium mit ca. $250.000 Kosten rausgegangen und habe es keine Sekunde bereut. Auch meine damaligen Kommilitonen haben an der Rückzahlung ihrer Studiengebühren keinen Schaden genommen, ganz im Gegenteil. Wir fühlen uns noch heute einer Gemeinschaft verbunden und spenden regelmäßig an die Uni-Organisationen auch wenn alle Studienkredite lange zurückgezahlt sind.

Dann kann ich ja mal die "Alterskarte" zurückspielen. ;) Anfang der 90er herrschte in den USA quasi Vollbeschäftigung, eine Sache, von der man heute nur träumen kann. Auch waren die Studiengebühren noch deutlich niedriger, auch im Verhältnis zum Einkommen. Heutzutage sind die doch richtig horrend.
Für alle heutigen Grads (und die aus meinem Jahrgang) gilt eher das Folgende: Nach dem Studium erst mal wieder bei den Eltern einziehen, nebenher auf Stundenbasis bei J. Penney arbeiten, weil man nichts anderes findet, ein unterbezahltes Praktikum machen und auf einen Full-Time-Job hoffen, der einem vielleicht $35,000 einbringt. Diese Perspektiven hatte man in den letzten Jahren und das sogar in Wisconsin mit seiner recht niedrigen Arbeitslosenquote. Wie will man da seine Studienkredite bedienen? Wie will das jemand machen, der vielleicht nicht Ingenieurswissenschaften oder BWL studiert hat sondern Linguistik (wie besagter Freund?)? Ich bin mir sicher, dass es genug Leute auch aus deinem Jahrgang gibt, die bis heute an ihren Studienkrediten knabbern. Die Schulden aller College Grads beläuft sich auf 1,2 Billionen Dollar, das sind fast 10% der amerikanischen Wirtschaftskraft. Findest du das nicht erschreckend?
All diese Schulden müssen zurückbezahlt werden. Das sind dann übrigens auch Kaufkraftverluste, die die Wirtschaft hinnehmen muss.

Nur muss die Bildung für alle auch bezahlbar sein und bezahlt werden. Sonst hast Du am Ende eine gut ausgebildete Bevölkerung, die in ihren Heimatländern von Staatsschulden geplagt wird.

Die Studiengebühren in den USA haben ja auch wahnsinnig dazu beigetragen, die Staatsschulden niedrig zu halten. ;) Deutschland und Österreich mit ihrem kostenfreien Studium stehen finanziell deutlich besser da als die USA oder England, wo Studiengebühren verlangt werden. Mit dem Argument kannst du niemanden überzeugen.
Bildung ist ein Recht und kein Privileg. Darauf läuft es aber hinaus, wenn du kostendeckende Studiengebühren einführen willst. Damit bist du, wenn du es auf die Spitze treibst, am Ende wieder in der gleichen Situation wie vor 300 Jahren. Der kostenfreie Zugang zur Bildung hat uns dahin gebracht, wo wir heute sind.

Wovon ich mich überzeugen lasse, sind Zweistudiengebühren oder Gebühren für Langzeitstudenten, aber das war's dann auch.

Übrigens hat man dank Studiengebühren auch oft ein ziemliches Anspruchsdenken geschaffen. Ich zahle, also muss ich auch etwas rauskriegen. Stichwort Grade Inflation.

Übrigens hatte Goethe Privatlehrer, ebenso wie seine Kinder. Und auch Kants Studium um 1750 war noch von einer Zeit geprägt, in der die Professoren von den Studenten bezahlt wurden in der aber auf jeden Fall ein Studium kostenpflichtig war. Insofern muss ich Dir widersprechen: Es gab in Deutschland Goethe und Kant weil (oder obwohl) es kostenpflichtige Ausbildungen gab. ;) Kostenlose Bildung alleine schafft noch keine Genies.

Fair enough. ;) Aber bei einer reinen Kosten-Nutzen-Rechnung fallen Fächer wie Germanistik oder Philosophie zwangsläufig weg. Willst du das?

Ich habe aber inzwischen eine Theorie warum wir die Thematik, obwohl wir wohl beide Systeme kennen, so unterschiedlich sehen. Leider gibt Dein Profil nichts dazu her aber so wie Du argumentierst vermute ich jetzt mal, dass uns beide 15 wenn nicht eher 20 Jahre trennen. Das ist jetzt nicht wertend gemeint, bitte nicht falsch verstehen und korrigiere mich wenn das nicht richtig ist.

Vermutlich hast du da Recht. ;) Man kann aber auch alles von zwei Seiten sehen. Du hast deine Erfahrungen zu einer ganz anderen Zeit gemacht als ich. Du sitzt finanziell und beruflich vermutlich in einem festen Sattel und da fällt es natürlich leicht, bestimmte Dinge zu verteidigen und die Dinge so zu sehen, wie du das tust. Aber Millionen von College Grads meiner Generation hilft das so überhaupt nicht, dass es damals bei euch alles geklappt hat. Die Ausgangssituation ist eine komplett andere.

Ich frage mich, ob es irgendwo ein tatsächliches Modell gibt, in dem mal berechnet wurde, ob ein Studium tatsächlich eine Verlust- oder Gewinnrechnung ist? nur mal aus Neugier. Hab auf die Schnelle mit Google nichts gefunden.
 
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ItsJustMe1977

Well-Known Member
Citizen
Wovon ich mich überzeugen lasse, sind Zweistudiengebühren oder Gebühren für Langzeitstudenten, aber das war's dann auch.
Danke, das wollt ich grade schreiben!!! Mein Ex-Schwager war so ein "Langzeitstudent".... Er war eingeschrieben hat aber nicht wirklich studiert(er war schon 39!!!) . Er wollte nicht studieren, sondern nur die billige Studentenfahrkarte haben. Er hat sich über alle und jeden lustig gemacht der arbeiten gegangen ist. Zitat:" Wie doof muss man sein um arbeiten zu gehen. Guckt mich an, ich geniess mein leben und ihr bezahlt! "

Ich war so froh, das damals die Studiengebühr kam!! Die war nämlich mehr als was er hätte sparen können und daraufhin hat er sich ENDLICH ausgeschrieben!!!

ich finde eine kleine Studiengebühr, womit man zeigt, das man es mit dem Studieren auch wirklich ernst meint wie zb. 50-100€ im Monat vertretbar aber 20000-50000$ pro Jahr?? Für viele nicht machbar.
 
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RLX1470

Guest
Mein Sohn würde Deinen Post jetzt mit seinem geliebten "Jaaa, aber..." kommentieren. Und da er das von mit hat mache ich das jetzt mal ;) :

Ja, es wäre schön wenn sich Bildung nicht auf Zahlen reduzieren würde. Aber wann auch immer Du Dritten gegenüber finanzielle Rechenschaft ablegen musst (Steuerzahler, Gebührenzahler, Spender) wird es sich nicht vermeiden lassen. Lass es mich mal so versuchen: "Bildung" vs. "Ausbildung". Wenn wir da einen Schnitt versuchen, kommen wir vielleicht eher auf einen gemeinsamen Nenner in Bezug auf die Akzeptanz und Notwendigkeit wenig "Gewinn orientierter" Studienfächer und die Frage, ob Kosten-Nutzen-Rechnungen in Bezug auf "Ausbildung" gerechtfertigt sind.

Dein Argument mit der Vollbeschäftigung stimmt leider nicht. Schau mal beim Bureau of Labor Statistics vorbei:

Bureau of Labor Statistics Data

Die Unemployment Rate lag 2013 mit 7,4% niedriger als 1992 mit 7,5%. Und selbst im längeren Vergleich liegst Du lediglich bei +/- 0,5%. Sorry, ich würde das Argument gerne kaufen aber das ist einfach nicht richtig.

Auch stimmt der Entzug der Kaufkraft von 1,2 Billionen US$ nicht wirklich (Motto: "Dein Geld ist nicht weg, es hat nur jemand anders"). Die 1,2 Billionen US$ werden halt durch die Universitäten wieder dem Wirtschaftskreislauf zugeführt. Solange jemand - am Ende - dafür gerade steht ist es der Wirtschaft relativ egal wer das geborgte Geld ausgibt. Aber, ja (da war es wieder), du hast Recht: 1,2 Billionen sind viel Geld. Wenn diese allerdings über 20 Jahre zurückgezahlt werden relativiert sich das etwas. Und bedenke, dass die Amerikaner im Jahr 2012 insgesamt 13,18 Billionen US$ an Hypotheken für ihre Häuser aufgenommen hatten, die ebenfalls über (im Schnitt) 20 Jahre zurückgeführt werden müssen. Die Federal Reserve gibt dazu Auskunft:

FRB: Mortgage Debt Outstanding, December 2013

Wenn ein Volk also mehr als 10 mal so viel Häuslebauerschulden wie Ausbildungsschulden hat finde ich das nicht so schlimm. Schließlich hat man doch von beidem was fürs Leben. Natürlich klingt (!) 1,2 Billionen US$ erst mal dramatisch aber das rettet in Europa mit umgerechnet 900 Mio € gerade mal eine Handvoll Banken wenn es denn mal richtig knallt. Und auch hier arbeitet die Inflation - nur halt für die Schuldner.

Eine Sache hast Du viel besser auf den Punkt gebracht als ich: Ja, ich sehe Bildung als Privileg und Du siehst es als Recht. Beides faire Standpunkte - schade, da hätten wir fast die ganze Diskussion verpasst. ;)

Und auch in Deinem letzten Punkt stimme ich Dir zu. Ja, es ist zwischen uns möglicher Weise eine Frage des Alters und des "where do I stand in life". Aber glaube mir, da ich jetzt wieder hier lebe kommen die Kosten für Ausbildung in der nächsten Generation noch mal auf mich zu, bzw. sind schon da (Stichwort: Grundschule zum Preis eines Mittelklassewagens). Und auch wenn es mich für meine Kinder noch mal kostet, ich bin ok damit. Ich bin also überzeugt und nicht einfach opportun nach Lebensphasen. (Sorry, habe ich das jetzt verständlich ausgedrückt?)

Nur noch eine Korrektur, ich verteidige nichts - das hieße mich für irgend etwas einspannen lassen. Das mache ich nicht mehr. Ich habe eine Meinung dazu - mehr nicht. Ändern können wir beide es sowieso nicht und habe gute Gründe, nicht Politiker sein zu wollen.

Und die Antwort auf Deine Frage findest Du vielleicht hier - ist aber auch nur eine Meinung: ;)

Fact and Fiction About Getting a College Education: Northwestern University News
 
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