Nö. Ich habe das auch nicht alles gleichzeitig gemacht, sondern nacheinander. Angefangen habe ich mit Turnen und Handball, dann wich das Turnen der Leichtathletik und dann dem Tennis. Handball habe ich aber neun Jahre gespielt und erst aufgehört, als ich immer öfter am Wochenende nicht zu den Spielen kommen konnte, weil ich Tanzturniere hatte.
Ich hatte immer so drei bis vier Freizeitaktivitäten parallel, wobei ich sechs Jahre lang das Tanzen als Leistungssport betrieben habe. Die Reiterei war ein Selbstläufer, da ich vom Lande komme und wir selber Pferde haben. Da sind wir morgens vor der Schule oft schon eine Runde geritten. Und dass jedes Kind mindestens ein Musikinstrument lernt, das war bei uns einfach so (bei uns = alle meine Freunde und Bekannten spielen auch mindestens ein Instrument). Da gehörte auch die kleine Hausmusik zum Standard. Wobei ich mit Altflöte und Gitarre absichtlich zwei vergleichsweise einfach zu beherrschende Instrumente gelernt habe - ich hätte lieber Klavier gespielt, aber ein Klavier war finanziell utopisch. Also habe ich mich lieber auf den Sport konzentriert und statt dessen erst Flöte und dann klassische Gitarre gespielt. Klampfe spiele ich heute noch hier und da, Flöte schon lange nicht mehr.
Freiwillige Kinderfeuerwehr, Kinderschützenverein und Aktivitäten der Landjugend waren meistens am Wochenende, das überschnitt sich also nicht mit den normalen Trainings- oder Unterrichtseinheiten. Und weil das immer alles einen Riesenspaß gemacht hat, habe ich das total genossen.
Wir haben dafür andere Sachen nicht gemacht, die heute üblich sind: Wir haben nur wenig Fernsehen geschaut (ich durfte beispielsweise am Vorabend höchstens zwei Sendungen pro Woche gucken), und das hat uns auch nicht so interessiert. Wir waren lieber beim Sport, haben Freunde getroffen und draußen gespielt oder haben gelesen. Direkt neben unserer Schule war eine Filiale der Stadtbücherei, da war ich nach der Schule Stammgast und habe mir bestimmt zwei Mal pro Woche ein neues Buch ausgeliehen.
Auf dem Hof haben wir außerdem mithelfen müssen - jedes Kind hatte seinen Verantwortungsbereich (meiner war das Füttern und Checken der Hunde und Pferde) und zur Ernte- und Einmachzeit musste alles ran, das aufrecht stehen konnte.
Das hört sich, wenn man es so geschrieben sieht, alles irre viel an, aber wenn man vom Lande kommt, ist man offenbar "von Haus aus" sehr aktiv. Meine gesamte Sippe (und mein Freundeskreis von früher) ist vom Volksstamm "Die-nicht-stillsitzen-können".
Und man hat uns als Kinder schon früh in die Verantwortung genommen und uns auch allein Sachen machen lassen, die in den USA undenkbar wären. Beispiel: Zu meiner allerersten Reitstunde, als ich noch kein bisschen reiten konnte, musste ich allein hin
reiten, da war ich neun Jahre alt. Ungefähr zehn Kilometer, drei Dörfer weiter, über Feld- Wald- und Wiesenwege. Ich war da noch nie gewesen und konnte - wie gesagt - nicht reiten und musste mein Pony irgendwie allein zum Reitplatz bekommen, weil niemand Zeit gehabt hätte, mich zu fahren oder mich zu begleiten. Heißa, war das ein Spaß...
Als ich beim Reitplatz ankam, war ich von all meinen Meinungsverschiedenheiten mit meinem Pony klatschnass geschwitzt und fertig mit den Nerven. Ich weiß noch, wie ich zwischendrin geheult habe wie verrückt, weil ich sicher war, dass ich mich verlaufen hatte. Hatte ich aber nicht. Und als ich endlich ankam, war ich stolz wie Bolle!
Das war ein enormer "Booster" für mein Selbstbewusstsein. Und meine Tante und Ziehmutter sagte später, sie hätte gleich gewusst, dass ich das alleine kann, und dieses Vertrauen hat mich nochmal in meinem gerade erst keimendem Selbstbewusstsein bestärkt.
Mir tun amerikanische Kinder leid, die solche Erfahrungen nicht machen können und dürfen, weil Soccer-Mom den Nachwuchs berufsmäßig von A nach B kutschiert. Kinder allein loszuschicken gilt hier offenbar vielen als "verantwortungslos".