Hallo
Was mich wirklich nervt ist dieses:
Deutschland ist so schlecht
Deutschland ist so bürokratisch
Deutschland ist so unfreundlich
In Deutschland gibt es so viel Abzüge vom Gehalt
Zur Bürokratie – wer mal versucht hat, Alltagsdinge zu regeln und nicht nur die Touristensicht hat, wird feststellen (das beziehe ich nicht nur auf die USA!), daß es in Deutschland oft erheblich einfacher ist, Dinge zu erledigen, als im Ausland – und das fängt schon beispielsweise in Spanien an – wo man als EU-Bürger ja noch legal leben und arbeiten darf.
Italien ist ne Katastrophe, was Bürokratie angeht – und auch in den USA sind viele Dinge durchaus nicht so einfach zu regeln.
Zur Unfreundlichkeit kann ich immer nur sagen – gibt’s auch in den USA – und man kann da ganz leicht was ändern – wenn man selbst freundlich ist – es ist nämlich ganz erstaunlich, was da für ne Resonanz kommt. Ja – auch deutsche Supermarktverkäufer können lächeln! Sie kriegen es allerdings nicht zwingend als Firmenvorschrift vorgeschrieben.
Und zu den Abzügen…. Dinge die der Staat bereitstellt müssen gegenfinanziert werden. Stellt der Staat wenig bereit, braucht er weniger Einnahmen. Und ist die Verteilung der Ausgaben einfach anders als bei uns, holt sich der Staat (bzw. der Bezirk) die Einnahmen halt anderweitig – wenn ich sehe: Grundsteuer kostet bei uns für ein Reihenhaus etwa 350 € im Jahr. Für deren Haus liegt sie derzeit bei 6500 $. (Reihenhaus mit 1500 sqf und einem Lot von 1600 sqf)
Dafür sind die öffentlichen Schulen recht ordentlich.
Auf irgendeine Weise holt sich der Staat, was er ausgibt – oder die Infrastruktur ist mies.
Sind in meinem Distrikt die Schulen nicht gut, muß ich halt das Geld in eine Privatschule investieren – OK – dann sind meine Abzüge vom Gehalt weniger – dafür geb ich da mehr Geld aus.
Freunde waren jetzt auch für etwa 6 Jahre in Kanada – es hat ihnen auch gut gefallen – ihr Status war legal, sie hatten sich eigentlich gut eingelebt – und sind nun zurück gekehrt – obwohl sie nicht gescheitert sind – beide hatten ordentliche Jobs, das Land gefiel. Es kam da sicher vieles zusammen – aber ihre Zukunft sehen sie jetzt erstmal hier.
Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt – und ich verkläre keinesfalls Deutschland – ich sehe sehr genau, was hier nicht paßt. Aber ich sehe auch andere Länder nicht durch die rosarote Brille.
Es ist völlig legitim, wenn man nach Abwägung aller Faktoren für sich beschließt: Das andere Land bietet mir mehr Chancen (ich hoffe, ich habe hier die Erfolgreichen Auswanderer mit Investoren-Visum nun berücksichtigt – die haben in meinen Augen ja schon „Beschäftigung mit der Situation, Zielstrebigkeit (in Sachen Kapital ansparen, Business-Idee, Marktforschung usw.) bewiesen).
Es gibt wunderschöne Länder auf dieser Welt , ich habe viele besucht, viele fehlen auch noch auf meiner Liste. Viele sind Traumländer für Reisen – ich würde aber nicht im Traum daran denken, eine Auswanderung dahin in Erwägung zu ziehen.
Es ist schon ein Luxus, daß die Reiseregelungen und die Arbeitsbedingungen in Deutschland so sind, daß ich es mir erlauben kann, als „banale Angestellte“ bis zu 30 bezahlte Arbeitstage im Jahr Urlaub zu nehmen, um die Welt zu entdecken und zudem meine Staatsbürgerschaft es mir erlaubt, in fast jedes Land der Welt einzureisen und mein Staat es mir auch erlaubt, jederzeit zu reisen, so oft ich mag, wohin ich mag. Mein Staat erlaubt mir zudem, nach Einhaltung gewisser Regularien, eine 2. Staatsbürgerschaft anzunehmen (und das ist wahrhaftig keine Selbstverständlichkeit!)
Mein Staat hat sich auch verpflichtet, im Falle einer Notlage mich zu unterstützen. Er sichert dann meine Lebensgrundlage auf nahezu unbestimmte Zeit, außerdem meine medizinische Versorgung und die Schulbildung und Gesundheit meiner Kinder (OK – nicht meiner – ich habe keine).
Es ist so gesellschaftsfähig, auf Deutschland zu motzen, aber andere Länder in den Himmel zu loben – DAS nervt. Eine realistische Einschätzung und dann eine Entscheidung, welches Land für einen selbst das Bessere ist – das würde ich mir bei vielen Möchtegernauswanderern wünschen….. dann muß einen dieses Land halt auch noch wollen :-)
Ich habe übrigens allergrößten Respekt für alle, die ausgewandert sind und in anderen Ländern leben – und die werden bestätigen: Es schaffen eigentlich nur die, die es zu Hause auch schon geschafft hatten – denn es ist im Ausland nicht leichter – niemand hat auf einen gewartet. Man kann auch nicht einfach mal zur besten Freundin gehen und sich auskotzen – man ist z.B. als Paar die ersten Jahre – bis man einen Freundeskreis gefunden hat – sehr aufeinander fixiert. Das ist eine große Belastung auch für eine Partnerschaft. Man braucht viel Geld, um die Startphase zu überbrücken und ein neues Leben einzurichten. (wenn ich denke, was mich ein Umzug nur eine Straße weiter gekostet hat – bei dem ich „alles hatte“, den Transport Freunde erledigten und was da noch alles nötig war für die neue Wohnung – 5000 € sind da in Nullkommanix weg). Bei einer Auswanderung ist da ein mittlerer fünfstelliger Betrag nicht utopisch. Und da ist noch keine Geschäftsinvestition gemacht…
Wendy