Aha. Ich habe absolut nichts gegen "am Image der USA kratzen", ich tue das selber gerne mal und ja, ich stimme dir und Anja sogar in vielen Punkten zu.
Wie du dazu kommst, mich in so eine Schublade zu stecken, ist mir schleierhaft, denn das einzige, was ich gesagt habe, ist, dass die Europäer, die oft die Amerikaner für ihre egozentrische Weltanschauung kritisieren, im Endeffekt ganz genauso sind. Nicht mehr, nicht weniger. Wenn du da mehr rausgelesen hast, hast du in etwas Dinge rein interpretiert, die gar nicht vorhanden sind. Ich finde einfach, man sollte sich auch mal an die eigene Nase packen, bevor man mit dem Finger auf andere zeigt, das ist alles.
Übrigens versuche ich persönlich die Dinge einfach so zu nehmen, wie sie sind. Zugegebenermaßen, in deiner Lage würde ich wohl auch alles verfluchen (Daumen sind gedrückt, dass es sich wieder zum besseren wendet). Ich selber kann nichts an der Situation ändern, also bringt es auch nichts, sich drüber aufzuregen, oder mit der Heimat zu vergleichen. Das bringt nur schlechte Laune. Es ist so wie es ist und wenn der Amerikaner daran etwas ändern möchte, ist das seine Verantwortung und nicht meine. Ich fühle mich nicht dazu berufen, hier irgendwen "aufzuklären". Zumal meine Erfahrung ist, dass gerade diejenigen, die bspw von einem besseren Sozialsystem profitieren würden, so wie zum Beispiel Leute in eurer Situation, komischerweise oft dagegen sind.
In eine Schublade habe ich niemanden gesteckt und versuche so gut wie moeglich das Schubaldendenken abzulegen, weil es nur Probleme bringt. Dazu gehoert eben fuer mich auch nicht jeden Deutschen als arrogant und ueberheblich abzustempeln, der die Dinge anders erlebt, sieht, empfindet. Ich bin mir sicher, dass wir alle hier genuegend Amerikaner kennen, die sich den Tatsachen stellen, die Probleme kennen, mit denen man wunderbare Gespraeche fuehren kann ohne als arroganter Auslaender abgestempelt zu werden. Das Vergnuegen hatte ich schon desoefteren.
Aber es ist nunmal so, dass bestimmte Aeusserungen immer den einen mehr juckt als den anderen. Normale Reaktion, die einfach abhaenig von Erfahrung ist (und auch sehr oft der Tagesform). Das auf beiden Seiten.
In die "Arroganz" Schublade werde ich immer wieder von denen gesteckt, die selber mal Deutsch waren und schon jahrelang hier leben, was ich manchmal recht eigenartig finde. Eventuell reagiere ich in 30 Jahren aehnlich, vielleicht auch nicht oder vielleicht lebe ich aber in 30 Jahren ganz woanders. Wer weiss.
Ich muss mir auch nicht staendig an die eigene Nase, den grossen Onkel oder sonstwo hinpacken, um zu wissen, dass Deutschland genauso wenig Paradies ist wie die USA, Kanada, Schweiz, oder Timbuktu. Auch im Heimatland durfte ich den Verfall in der eigenen Familie miterleben ohne, dass der Staat gross geholfen hat, wo zum Teil wissentlich Fehler vertuscht wurden und Familienmitglieder deswegen obdachlos wurden. Grosse Leistung einer hessischen Behoerde.
Ich sehe es als Mutter als meine Verantwortung an, zu schauen, dass ich meinen Kindern eine bessere Zukunft ermoegliche. Das heisst ich nicht, dass ich staendig Vergleiche ziehe, obwohl das in unserer derzeitigen Situation natuerlich haeufiger vorkommt, weil man es einfach anders und eben besser kennt. Wer bekommt denn nicht 'nen Anflug von "Alles doof!", waehrend man die Achterbahn wieder steil nach unten saust?
Ich kenne hier auch einige, die komplett gegen ein besseres soziales Netz sind, bspw. meine ehemalige Arbeitskollegin mit der kaputten Niere. Sie kennt es aber auch nicht anders. Sie hatte mich mal nach dem deutschen System gefragt und in ihren Augen ist es einfach "communism". Nicht mehr, nicht weniger.
Ich belasse es dann auch dabei.
Und mir mit Familie und Lebenssitz hier drueben ist es eben nicht egal. Mir geht's hier nicht um sechs Wochen bezahlten Kranksheitsausfall oder 30 Tage Urlaub, sondern es faengt bei Kleinigkeiten an. Ich kann mich in der Schule beispielsweise einbringen und schauen, dass noch mehr auf gesunde Ernaehrung gesetzt wird. Das mag dir egal sein, das mag Bekannten von mir egal sein und andere moegen ihre Protest-Schilder bzgl. der Entscheidungsfreiheit beim school lunch weiter hochhalten, aber mir ist es nicht egal. Anderen mag das Waffengesetz in den USA egal sein, aber mir nicht. Kann ich es aendern? Nicht wirklich. Aber es gibt petitions und andere Moeglichkeiten, Einfluss zu nehmen und ich finde es generell immer falsch darauf zu verweisen, dass man selbst nichts aendern kann und andere auch nicht zwingen kann. Meine Meinung, Gefuehle habe ich nicht bei der Einreise abgelegt. Und wenn es darum geht, das Leben anderer, nicht immer meines, ein bisschen besser zu gestalten, dann versuche ich es. Und dazu gehoert nunmal auch Aufklaerung. Dazu muss ich nicht Deutschland oder Europa hinzuziehen, aber es macht es manchmal etwas leichter. Das heisst nicht, dass man sich da nun nur das beste rauspickt, sondern einfach schaut, dass neue Ideen entstehen. Mehr nicht. Kultur und Mentalitaet kann und moechte dadurch keiner aendern, auch nicht der arrogante Deutsche. ;-) peace out...