Halli Hallo, liebe Forengemeinde!
Ich bin die Lilou, Mitte 30 und lebe mit Mann und zwei Kindern in Baden Württemberg. Seit 2012 urlauben wir in den USA und sind total im "Amerika-Fieber".
Noch ist eine Auswanderung im Status "Traum", doch dabei soll es nicht bleiben. Und da man ja irgendwo anfangen muss, tu ich das nun in Form von Recherche um der Realisierung näher zu kommen. Dabei bin ich auf dieses informative Forum gestoßen und habe mich nun hochmotiviert angemeldet.
Ganz persönlich habe ich noch viele Fragezeichen in Bezug auf Schulbildung in den USA, Jobsuche, Sicherheiten, ... Es ist trotz aller Euphorie doch ein großer Schritt, aus dem bequemen, "gemachten" Nest zu springen, in ein Abenteuer und einen Neubeginn - insbesondere mit Kindern.
Ich bin mir ganz sicher, dass ich hier nun viiiiieeeele Stunden verbringen werde und freue mich jetzt schon auf all die Infos, Tipps und den Austausch.
Ezri schrieb es ja schon. Das Visum ist erstmal das wichtigste.
Aber hier mal meine Eindruecke nach mehr als sieben Jahren mit dem hiesigen Schulsystem. Wir leben im Sueden. Das ist wichtig zu wissen, weil es von Staat zu Staat schon erheblich Unterschiede gibt, es aber noch zuzaetzlich Unterschiede zwischen Nord und Sued gibt.
Hier in NC sind innerhalb der letzten wenigen Jahren ueber 5000 Lehrer "verschwunden". Verschwunden heisst, dass diese entweder in andere Staaten gefluechtet sind oder den Job an den Nagel gehaengt haben. Warum? Weil NC einer der Staaten ist, der seine Lehrer extremst schlecht behandelt.
Wenn's darum geht die Kinder in der Schule anzumelden, ist es wichtig zu wissen, in welchem Schulbezirk man lebt.
Es gibt Schulen, die gehoeren keinem Schulbezirk an, aber da kommt man dann auf eine Warteliste und muss die Kinder selbst in die Schule bringen und auch wieder abholen.
Ganz wichtig: Gute Schulen/guter Schulbezirk=teuer, z.B. Miete; schlechter Schulbezirk=guenstig, aber eben mit vielen armen Vierteln und Gewalt.
In den USA werden die Gelder fuer Bildung anders umverteilt. Schulen, die gut abschneiden, bekommen mehr vom Etat. Schulen, die schlecht abschneiden, bekommen weniger und das kann sogar so weit hinausgehen, dass Personal gekuendigt wird.
Man muss da also nicht gross ueberlegen, welche Schulen mehr Geld zur Verfuegung haben. Das ganze wird dann zum Teufelskreis, weil die, die es sich leisten koennen, aus den aermeren Gegenden mit den schlechten Schulen fluechten.
Entsprechend liegt in den Schulen der Fokus oft auf den standardized tests. Da muss dann das eigentliche Lehrplan schonmal etwas Platz machen. Damit die Kinder dann auch noch gut dastehen, wird dann auch schonmal die grade scale angepasst.
Das war nun bei uns dieses Schuljahr der Fall. Von vorher A=93-100, ist ein A nun schon ab 90 Punkten drinne.
Das sieht dann natuerlich wesentlich besser aus, wenn die vorherigen B-Schueler nun A-Schueler sind.
Da gebe ich aber nicht dem school board die Schuld, sondern der Politik und die Art und Weise wie der Staat hier mit der Bildung umgeht. Zwar hat McCrory dem education fund mehr $200 Million zugesprochen, aber $200 Millionen sind nichts, wenn man sich die Probleme in den jeweiligen Schulen anschaut. Gleichzeitig wurden aber auch die Gebuehren fuer community colleges angehoben. Sprich, wieder ein Schlag fuer die Bevoelkerungsschicht, die weiterkommen moechte, sich aber die Gebuehren fuer die grossen Schulen nicht leisten kann oder moechte.
Es gibt auch viel positives, allen voran die Inklusion von Kindern mit Behinderungen in den normalen Klassen. Das scheint hier in unserer Ecke wesentlich unproblematischer zu sein als ich es von Freunden und Bekannten aus Deutschland mitbekomme. Hier gibt's dann entweder special ed Klassen oder aber die Kinder sind mit einer eigenen Kraft in einer "normalen" Klasse.
Ansonsten merkt man hier aber sehr deutlich was wichtig ist. Hier gibt's fuer jeden Pups einen award. Bei uns ist das alle neun Wochen der Fall. Die juengsten werden schon recht frueh auf Leistung getrimmt. Ich merke das hier im Bekanntenkreis. "it's so important for kids to know how to use technology". Die Kinder da noch nicht mal zwei Jahre alt.
Soziale Kompetenzen? Fehlanzeige. Kann mit fuenf schon komplexere Mathheaufgaben loesen, kann aber weder still sitzen und moechte lieber spielen oder aber hat massive Probleme im Umgang mit anderen. Dafuer wird dann aber auch keine wirkliche Loesung gesucht. Man kommt dann mit diversen Regeln, damit keiner Schaden nimmt. Wo kaemen wir denn auch hin, wenn wir den juengsten einfach mal erlauben wuerden ihre Probleme selbst zu loesen.
Ich habe noch nie so viele unselbstaendige Kinder erlebt wie hier drueben. Eltern, die ihren Kindern da mehr Freiraum geben und diese auch noch Kind sein lassen, werden da extrem kritisch beaeugt. Das war natuerlich nicht immer so. Mein Mann ist frueher genauso aufgewachsen wie ich. Staendig draussen unterwegs, alleine auf Spielplaetzen und und und. Da wurde sich mal kurz gepruegelt und dann war's wieder gut.
Hier drueben kann's dann schon passieren, dass "besorgte" Nachbarn die Polizei oder gar child services kontaktieren, weil die Kinder nicht von einem Erwachsenen beaufsichtigt werden. Was hat meine Nachbarin mal geschwitzt, weil ihr Sohn - damals 11 - aus Versehen den Alarm im Haus ausgeloest hatte. Er war alleine und sie noch auf der Arbeit. Sie rief dann ganz nervoes bei uns an, weil der Sicherheitsdienst sie kontaktiert hatte. Sie meldete dies dann als Fehlalarm. Polizei stand da natuerlich schon vorm Haus. Sie sprach sich mit uns ab, von wegen "Nachbarn wissen Bescheid, haben Auge aufs Kind, checken regelmaessig."...da hatte sie schon Sorge, dass sie Probleme bekommt, weil sie ihr Kind alleine gelassen hat. Als alleinerziehende Person in Vollzeitanstellung hat man da nun nicht immer die Moeglichkeit.
Was in anderen Laendern immer noch normal ist, ist hier drueben nun zur free-range movement geworden.
Waere mein Mann fluent in Deutsch und haette somit bessere Chancen auf dem Deutschen Markt, waeren wir nie in die USA gezogen. Man kann sich mit vielem arrangieren und das beste daraus machen. Aber ich fuehle mich persoenlich immer noch unfreier in den USA und die Sorgen sind viel groesser hier drueben als in Deutschland. Ich stehe eben auf Solidaritaet und sozialistische Ideen, die der Gemeinschaft helfen.
Ich bin der Meinung, dass eine Gesellschaft nur so stark sein kann, wie ihr schwaechstes Mitglied. Das passt natuerlich nicht mit der Einstellung hier drueben, dass sich jeder um sich selbst kuemmern soll und muss und wer's nicht schafft, hat eben Pech gehabt.
Nur von "Pech haben" kann man nicht wirklich reden, wenn Minderheiten im Jahre 2016 noch mit massiven Problemen zu kaempfen haben. Und wenn man sich mal die derzeitigen Praesidentschaftsanwaerter der Republikaner anschaut, kann man eigentlich nur noch hoffen, dass die Welt untergeht, wenn einer von denen gewaehlt wird. So viel Hass und Hetze.
In diesem Sinne...Willkommen im Forum.
Nein, im Ernst, das wichtigste ist erstmal das Visum. Wenn das geklaert ist, kann man sich etwas genauer mit dem Leben in den USA beschaeftigen.