Der amerikanische Traum hat Dellen bekommen

Ulrich

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Fand in ganz interessant zu lesen...

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Der amerikanische Traum hat Dellen bekommen
Clemens Wergin

Viele US-Bürger haben seit der Finanzkrise den Glauben daran verloren, mit harter Arbeit aufsteigen und eine bessere Zukunft für ihre Kinder schaffen zu können.

Schaut man auf die Zahl der illegalen Einwanderer im Land, dann hat der amerikanische Traum nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt. Noch immer kommen Arme und Aufstiegswillige besonders aus Südamerika, um in Amerika ihr Glück zu suchen. Allein im Lande selbst verliert der American Dream seit Jahren an Leuchtkraft.

"Der amerikanische Traum gleitet den Leuten aus den Händen", sagt Elizabeth Warren, der neue Liebling der demokratischen Basis. Und sie spricht damit nicht nur ein Gefühl aus, das in linken Kreisen weit verbreitet ist. Die Mittelschicht in Amerika von Links bis Rechts ist unzufrieden und zukunftsskeptisch geworden. Und dafür gibt es viele gute Gründe.

Seit den 90er-Jahren sind die Löhne nicht gestiegen, selbst das seit zwei Jahren anhaltende Wirtschaftswachstum hat sich bisher noch nicht in den Geldbeuteln niedergeschlagen. Viele Eltern haben auch erlebt, wie ihre Söhne und Töchter in der Wirtschaftskrise keinen Job fanden und nach der Ausbildung nach Hause zurückgekehrt sind, weil sie es sich nicht leisten konnten, auf eigenen Füßen zu stehen. Überhaupt ist der Traum vom Aufstieg von vielen Studien entzaubert worden. Demnach bieten inzwischen manche Länder in West- und Nordeuropa bessere Chancen, sich von unten nach oben hochzuarbeiten – Deutschland eingeschlossen. Ist der amerikanische Traum also ausgeträumt?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, geht man am besten zu Karlyn Bowman ins American Enterprise Institute im Zentrum Washingtons. Bowman ist die Umfrageexpertin des konservativen Think Tanks und hat mit ihrem Team in den vergangenen fünf Jahren in alten und aktuellen Umfragen gewühlt, um herauszubekommen, wie sich die Einstellungen der Bürger zum amerikanischen Traum verändert haben.

"Ich war überrascht, herauszufinden, dass in Umfragen vor 1986 nicht einmal nach dem American Dream gefragt wurde", sagt Bowman. Ebenfalls überrascht sei sie darüber gewesen, wie individuell die Amerikaner den amerikanischen Traum leben. "Die Leute definieren den Traum sehr persönlich", sagt Bowman. Seit den 80ern haben sich die Kriterien dafür kaum verändert. Weiterkommen durch Bildung und harte Arbeit, ein Haus zu besitzen und dass es die Kinder einmal besser haben sollen als man selbst, das sind die Konstanten.

Doch gerade die Zukunftshoffnung hat in den Krisenjahren stark abgenommen. Viele glauben nicht mehr daran, dass Amerika das Land unbegrenzter Möglichkeiten ist. Im Jahr 1952 beantworteten noch 87 Prozent die Frage, ob es reichlich Chancen in Amerika gäbe mit Ja. Seitdem ist die Zahl kontinuierlich gesunken, im Jahr 2013 glaubten daran nur noch 52 Prozent. Und selbst wenn harte Arbeit immer noch ein sehr wichtiger Wert für Amerikaner ist, so meinen doch immer weniger von ihnen, dass diese harte Arbeit auch belohnt wird. In Gallup-Umfragen haben im Jahr 2001 noch 76 Prozent der Befragten angegeben, zufrieden zu sein mit den Chancen, die sich durch harte Arbeit ergeben. Im Jahr 2012 waren es noch 53.

"Der Finanzcrash hatte einen enormen Einfluss auf Amerika", sagt Bowman. "Angst ist normalerweise kein Gefühl, das man in Meinungsumfragen besonders oft registriert, aber wir sahen ziemlich deutlich, dass die Menschen 2008 und 2009 fürchteten, das Wirtschaftssystem könne zusammenbrechen." Seitdem sind die Bürger sehr pessimistisch, bis heute. "Es ist schwer herauszufinden, ob die negative Sichtweise auf den amerikanischen Traum verbunden ist mit den Ängsten in Bezug auf die wirtschaftliche Lage, oder ob es sich um etwas handelt, das tiefer geht, einen fundamentalen Wandel", sagt Bowman.

Dabei sind die Ansprüche, die die Leute an ihren "Traum" stellen, relativ bescheiden. Sie entsprechen auch nicht dem europäischen Klischee von den nur auf Geld und materiellen Gewinn ausgerichteten Amerikanern. Zwar steht das eigene Haus als Ziel weit oben, weil man den Kindern etwas vererben will. Aber ansonsten rangieren Dinge wie Reichtum oder "sich alles kaufen zu können, was man möchte" ganz unten auf der Skala der Dinge, die die Amerikaner mit ihrem Traum verbinden. "Amerikaner hatten immer ein ambivalentes Verhältnis zu Reichtum", sagt Bowman. "Auf der einen Seite bewundern sie Leute, die durch harte Arbeit reich geworden sind. Gleichzeitig glauben sie nicht, dass diese glücklicher sind als sie selbst."

Die Amerikaner sind auch erstaunlich realistisch in finanziellen Dingen. Wenn man sie fragt, wie viel sie bräuchten, um gerade so durchzukommen, dann stimmen die Antworten in etwa mit der definierten Armutsgrenze überein. Fragt man nach dem, was nötig ist, um einigermaßen komfortabel zu leben, antworten sie meistens mit einem Gehalt, das im Bereich des mittleren Einkommens in den USA liegt. Und um sich alle Träume zu erfüllen, reichen nach Antwort der meisten Amerikaner zwischen 100.000 und 200.000 Dollar im Jahr. Das sind nicht gerade überzogene Ansprüche. Und doch haben viele Bürger das Gefühl, es laufe etwas fundamental falsch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Amerikaner haben immer an Bildung als Mittel zum Aufstieg geglaubt. Früher wollten sie, dass ihre Söhne und Töchter die High School absolvieren und eine Chance haben, aufs College zu kommen. Heute hoffen sie, dass der Nachwuchs das College absolviert und eine Chance auf ein weiterführendes Studium hat. Doch die Uni-Gebühren sind in den vergangenen Jahrzehnten geradezu explodiert, während die mittleren Einkommen stagnierten. Und das öffentliche Schulsystem scheint kaum noch in der Lage, die Unterschiede in den Startchancen der Schüler auszugleichen, damit auch Kinder aus unterprivilegierten Haushalten eine Chance bekommen.

Der jüngsten Studie der Southern Education Foundation zufolge haben inzwischen mehr als 50 Prozent der Kinder in öffentlichen Schulen Anspruch auf ein subventioniertes Mittagessen, kommen also aus armen Familien. Und da öffentliche Schulen weitgehend aus lokalen Steuern finanziert werden, gibt es einen enormen Unterschied in der Qualität der Schulen zwischen wohlhabenden Gebieten und den Armenvierteln. "Der Aufzug für den Aufstieg hat für viele Amerikaner einfach angehalten", sagt etwa Darren Walker der "Washington Post". Walker ist Präsident der Ford Foundation und hat es selbst einst geschafft, durch Bildung aus schwierigen Familienverhältnissen aufzusteigen. "Wir müssen diesen Aufzug reparieren", fordert er.

Irgendwann in den vergangenen Jahren ist den sonst so optimistischen Amerikanern der Glaube an die Zukunft verloren gegangen. Seit Anfang 2000 ist die Hoffnung der Jungen, dass es ihnen einmal besser gehen wird als ihren Eltern, von 72 auf 42 Prozent gesunken. Ihre Eltern sind noch pessimistischer. Nur 20 Prozent glauben, ihre Kinder hätten heute bessere Chancen als sie selbst einst hatten. Und das hat vor allem mit persönlichen Erlebnissen zu tun. "Noch immer sagen etwa 60 Prozent der Amerikaner, dass jemand im Familien- oder Bekanntenkreis seit 2008 den Job verloren hat", weiß Umfrageexpertin Bowman. "All diese Dinge, wie etwa auch die Einkommen, die nicht steigen, sind eine ziemlich ungewöhnliche Erfahrung für Amerika, und es macht mir Sorgen, welche langfristigen Folgen das für den amerikanischen Traum haben wird."

Aber das Bild ist eben nicht nur düster, es weist auch Grauschattierungen auf. So rangiert die Zahl derjenigen, die für sich sagen, den Traum schon verwirklicht zu haben, stabil zwischen 30 und 40 Prozent. Diese Zahl ist bei den oft zur Unterschicht gehörenden Hispanics und den Schwarzen naturgemäß geringer (im Jahr 2013 je 30 und 21 Prozent). Dafür glauben aber 56 Prozent der Hispanics und 60 Prozent der Schwarzen, die noch nicht am Ziel ihrer Träume angekommen sind, dass sie ihren persönlichen amerikanischen Traum irgendwann erreichen werden. "Der amerikanische Traum ist lädiert und angeschlagen", sagt Bowman, "aber er ist immer noch lebendig".
 

Ezri

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Vom Tellerwäscher zum Millionär, glaubt da heutzutage wirklich noch jemand dran?
 

nycfan

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In den USA hat sich der Meridian in die falsche Richtung entwickelt. Normalerweise müsste bei vergleichbarem Wohlstand das Durchschnittseinkommen auf einem ähnlichen Niveau eher ein wenig über dem der Länder in Mittel und Nordeuropa liegen tut es aber nicht. Da die Normalverteilung in diesem System aber stärker streut fallen immer mehr Leute aus dem mittleren Bereich raus. Die die nach oben rausfallen finden das eher angenehm, die nach unten eben nicht.
 

anjaxxo

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Ich komme jetzt erst dazu, den Artikel zu lesen und finde ihn doch recht interessant.
Ich finde die Zahlen unfassbar. Erst einmal haette ich jetzt nicht gedacht, dass noch ueber die Haelfte der Amerikaner an den amerikanischen Traum glauben. Trotz der, in meinen Augen, noch recht hohen Anzahl, finde ich es erschreckend, wie schnell die Zahl runtergegangen ist, 35 %!!! :hammer

Auf der anderen Seite finde ich die Einstellung der Amerikaner toll, einerseits Leute zu respektieren, die "es geschafft" haben und andererseits das Glueck nicht von finanziellen Dingen abhaengig zu machen. So aehnlich denke ich auch.

Es ist ja so, dass man mit etwas Abstand, sich oft nur noch an "das Gute" erinnert. Bei mir ist es inzwischen so, dass ich meine Zeit in den USA etwas differenzierter sehe.
Ich denke, mein Heimweh, meine Sehnsucht nach Deutschland, hatten im Nachhinein betrachtet doch eher mit meiner Beziehung zu tun als mit dem Leben in Amerika an sich.
Das einzige, was ich immer noch ganz furchtbar finde, ist das Gesundheitssystem, das Leute einfach mal eben so in unglaubliche Schwierigkeiten stuerzen kann, wenn keine anstaendige KV vorhanden ist.

Im Grunde haette ich mich ganz gut ueber Wasser halten koennen und jobmaessig war das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht.

Politisch muss sich in der naechsten Zeit etwas aendern. Es kann nicht sein, dass die Politiker von einigen wenigen reichen Menschen gekauft werden und die Menschen nicht mehr viel Mitbestimmungsrecht haben. Aber da merkt man auch schon Aufbegehren in der Bevoelkerung...bin mal gespannt, wie die naechsten Wahlen ausfallen. Ich denke, dass die naechsten Jahre politisch recht spannend werden.

Elizabeth Warren ist uebrigens eine tolle Frau. In ihren Reden bringt sie die Dinge auf den Punkt und spricht auch oft unbequeme Themen an. Ich koennte sie mir gut als Praesidentin vorstellen, Hilary ist doch etwas alt geworden.
An die moeglichen republikanischen Kandidaten mag ich lieber nicht denken, da krieg ich immer Angst. :theatralisch
 
Zuletzt bearbeitet:

California_L.A.

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Der amerikanische Traum ist numal viel realistischer als der deutsche Traum, wenn es denn sowas gibt. Ich bin hier vor zwei Jahren hergezogen, habe in Los Angeles meine Firma (Corporation - in Deutschland "GmbH") gegründet und musste dafür keine 25000 Euro/Dollar hinterlegen. Die positive Einstellung der Leute hier gefällt mir einfach. In Deutschland heißt es immer "mach das bloß nicht, viel zu riskant", hier sagen die Leute "klasse, das solltest du versuchen".

Meine Frau hat einen gutbezahlten Job bei NBC, ich habe mich in kürzester Zeit selbstständig gemacht, zahle weniger Steuern und habe insgesamt deutlich mehr Geld übrig als in Deutschland. Insgesamt boomt die USA. Chinesische Firmen investieren alleine in Downtown, Los Angeles Milliarden von Dollar. In L.A. entstehen so viele Wolkenkratzer wie seit 30 Jahren nicht mehr. Projekte wie Metropolis, Fig Central, Wilshire Grand Tower usw. sind nur ein paar Namen, die USA boomt, der Dollar ist stark, die Ausländer pumpen ihr Geld in den Markt.

Leider macht sich das auch in den Mietpreisen erkennbar. Wir zahlen für eine Zweiraum-Wohnung in West L.A. etwas mehr als 2000 Dollar und das ist noch ein guter Deal. Für gutes Essen zahlst du auch deutlich mehr als in Deutschland (Butter 5 Dollar and so on), aber das alles kann ich verkraften, da ich mir meinen persönlichen Traum hier erfüllt habe, respektive diesen lebe.
 

Ulrich

Well-Known Member
Citizen
Nicht, das ich hier Korinthen kacken will, aber eine "Corporation" ist in Deutschland immer noch eine "AG". Eine GmbH waere eine LLC (Limited Liability Company). :)
 

† Mona

Well-Known Member
Greencard
Vom Tellerwäscher zum Millionär, glaubt da heutzutage wirklich noch jemand dran?

Ja. Vll etwas abgestuft.
Ich bin seit einigen Jahren hier und es hat sehr lange gedauert, bis ich wirklich Fuss gefasst habe. Sehr lange.
Es sind unterschiedliche Kulturen, Lebensweisen, Anschauungen.
Ich habe das unterschaetzt, als wir hergezogen sind.

Aber jetzt entlich habe ich einen Job und einen Verdienst, den ich in Deutschland so mit Sicherheit nicht erreichen wuerde.
 

Major

Member
Ich verdiene das doppelte wie in Deutschland..bin komplett krankenversichert...Benzinkarte...keine versicherungen fuers Auto...und die 1% Regelung is easy...ich lebe meinen Traum!
 

ItsJustMe1977

Well-Known Member
Citizen
Dann hast du aber bestimmt auch einen "hóheren" Job und nicht irgendwas im Einzelhandel (ohne diese Berufsgruppe abwerten zu wollen)
Mein Ex Schwiegerpapa hat in seiner seit in Chicago auch einen Haufen Asche gemacht (Vizepresident und Generaldirektor von Mannesman Baumaschinen)..... wenn der jetzt nur ein kleiner Angestellter gewesen waere, hätte der es hier wahrscheinlich nicht lange ausgehalten...
 

Jeffrey

Gesperrt - kann sich nicht benehmen
Als ich vor 28 Jahren in die Staaten kam, unsere Firma hat hier Haeuser nach German-Art gebaut, habe ich von diesen Traeumen nix bemerkt. Der Lohn war schon exzellent aber auch die Arbeitszeiten hatten es in sich. 12 Stunden jeden Tag (jeden) war normal. Kontakte haben sich demgemaess nicht ergeben, na und die Kollegen am Abend auch noch zu sehen war nicht so ergreifend. Spaeter als ich in die Management-Ebene kam war es natuerlich anders. Meine Freunde die ich nun schon seit Jahrzehnten habe, sind zwei Franzosen und zwei Hollaender (Ehepaare), exzellente Menschen, mit denen ich schon grosse Segeltoerns gemacht habe. Ich glaube ich haette diesen "Traum" ganz gewiss auch in Deutschland gehabt. Aufgrund meines Alters gehen mir allerdings schon allmaehlich die Traeume aus, die letzten erlebe ich wahrscheinlich aber in Suedfrankreich. In zwei Jahren geht es zurueck. Jeff..
 
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